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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht
Autoren: Michelle Reid
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Vorschlag weniger glorreich gefunden hatte als sein Schwiegervater.
    „Allerdings unter zwei Bedingungen: Erstens musste ich mich vertraglich verpflichten, das Haus in seinem Sinne weiterzuführen, und zweitens musste ich ihm versprechen, dass du nichts davon erfährst."
    „Warum denn das?" fragte Samantha verwundert.
    „Kannst du dir das nicht denken?" Ohne eine Antwort abzuwarten, fügte er erklärend hinzu: „Er wollte seine hübsche Tochter nicht beunruhigen, die im siebten Himmel schwebte, weil sie ihren Märchenprinzen gefunden hatte und ihn schon sehr bald heiraten sollte. Da konnte er doch nicht..."
    „Wenn du nicht sofort aufhörst, dich über mich lustig zu machen, kann ich für nichts garantieren!" fiel ihm Samantha ins Wort.
    „Früher hättest du nicht lange gefackelt und wärst ohne Vorwarnung auf mich
    losgegangen."
    Die Samantha von früher ist bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen, dachte Samantha wehmütig. Und die, die wie durch ein Wunder überlebt hatte, wusste so wenig von sich selbst, dass sie die Gelegenheit, mehr über sich zu erfahren, nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte.
    „Ich wollte dich nicht unterbrechen", entschuldigte sie sich.
    „Viel gibt es nicht mehr zu erzählen", fuhr Andre fort. „Irgendwann hatte er mich so weit, dass ich seine Bedingungen akzeptiert habe. Mit einer Einschränkung allerdings. Ich habe darauf bestanden, dass ich das Hotel erst übernehme, wenn wir verheiratet sind. Darum ist in den Papieren, die Raoul dir zugesteckt hat, als Kaufdatum unser Hochzeitstag
    eingetragen."
    Unvermittelt nahm er die Hände aus den Taschen und fuhr sich nervös durchs Haar. „Es macht vielleicht keinen großen Unterschied, aber es hat mir geholfen, dass ich mich nicht gar so schlecht fühlte."
    „Du hattest allen Grund, dich schlecht zu fühlen", warf Samantha ein. „Immerhin hast du unsere Ehe mit einer Lüge begonnen."
    „Was mir aufrichtig Leid tut."
    Samantha bezweifelte nicht, dass es ihm mit seiner Entschuldigung ernst war. Doch noch hatte sie nicht die Kraft, ihm zu verzeihen - ihm nicht und ihrem Vater nicht, den beiden Menschen, die sie mehr geliebt hatte als alles auf der Welt und die sie dennoch schmählich hintergangen hatten.
    „Wenn's das war, würde ich jetzt gern gehen", sagte sie bestimmt.
    „Und wohin?" erkundigte sich Andre.
    „Meinen Koffer holen. Zwischen uns ist ja wohl alles gesagt."
    „Schon wieder täuschst du dich", erwiderte er schroff. „Bislang haben wir nur an der Oberfläche gekratzt. Und falls du glaubst, ich würde tatenlos zusehen, wie du mich erneut verlässt, irrst du gewaltig."
    „Das Recht, mir etwas vorzuschreiben, hast du verspielt, als ich dich beim ersten Mal verlassen habe."
    „Verdammt noch mal!" platzte Andre heraus. „Was sollen diese dauernden Anspielungen auf Raoul?"
    Natürlich hatte sie auf seinen feinen Bruder angespielt. Raoul. Allein der Name
    verursachte ihr Übelkeit.
    Wenige Wochen nach der Hochzeit war er zu ihnen gezogen, und vom ersten Tag an hatte es Probleme gegeben. Denn auch wenn er es nach Kräften zu verbergen suchte, war er extrem eifersüchtig auf Andre. Alles missgönnte er ihm, angefangen von seinem Geld, über seine Macht und seinen Einfluss, bis hin zu seiner jungen Frau. Raoul, der arme Verwandte mit dem falschen Vater, so hatte er sich manchmal genannt, weil er sich nicht damit abfinden wollte, dass er kein Visconte, sondern „nur" ein Delacroix war.
    „Übrigens bereut er zutiefst, was geschehen ist", wusste Andre zu berichten.
    „Wie bitte?" Samantha traute ihren Ohren nicht. Lieber wäre es ihr allerdings gewesen, sie hätte Andres Bemerkung ignorieren können, denn fürs Erste war ihr Bedarf an
    Schreckensmeldungen gedeckt.
    „Er hat mein Vertrauen, meine Gastfreundschaft und schließlich sogar mich
    missbraucht", zählte sie auf. „Du erwartest doch nicht im Ernst, dass ich ihm das vergebe."
    „Vergebung ist ein besserer Ratgeber als Hass. Glaub mir, Sam, ich weiß, wovon ich rede."
    Andre schien sich in der Rolle des Opfers einer Verschwörung zu gefallen. „Ich glaube, langsam fange ich an, nicht ihn, sondern dich zu hassen!" Ohne Andre eines Blickes zu würdigen, stand sie auf, um so schnell wie möglich das Zimmer zu verlassen. Insgeheim verfluchte sie ihr Knie, weil das leichte Hinken so gar nicht zu ihrer Entschlossenheit passen wollte.
    Als sie das Foyer erreichte, blieb sie unwillkürlich stehen, um den Anblick in sich aufzunehmen, der sich ihr bot.
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