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Hostage - Entführt

Titel: Hostage - Entführt
Autoren: Crais Robert
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Mund öffnete und schloss
sich, öffnete und schloss sich. Seine Haut verlor rasch an Farbe und
schien zu leuchten. Seine Augen blieben an Talley hängen, der neben ihm
kniete und die Hand auf den Oberschenkel des Jungen legte. Talley sah
ihm unverwandt in die Augen und erlaubte sich keinen Wimpernschlag. Das
war der einzige Trost, den er Brendan Malik geben konnte, der vor
seinen Augen starb.
    Nach einer Weile setzte Talley sich
raus auf die Veranda. Ihm dröhnte der Kopf, als sei er verkatert. Auf
der anderen Straßenseite liefen Polizisten zwischen ihren Autos hin und
her. Talley zündete sich eine Zigarette an, ließ die letzten elf
Stunden Revue passieren und suchte nach Anhaltspunkten, die ihm hätten
sagen können, was wirklich los gewesen war. Er konnte keine finden.
Vielleicht hatte es tatsächlich keine gegeben, aber das glaubte er
nicht. Er hatte es verbockt. Er hatte Fehler gemacht. Der Junge war die
ganze Zeit im Haus gewesen â€“ eingerollt zu Füßen seiner ermordeten
Mutter wie ein treuer Hund.
    Murray Leifitz legte ihm die Hand auf die Schulter und schickte ihn nach Hause.
    Jeff
Talley war seit dreizehn Jahren beim SEK der Polizei von Los Angeles,
die letzten sechs Jahre als Unterhändler in Krisensituationen. Gerade
war sein dritter Einsatz innerhalb von fünf Tagen zu Ende gegangen.
    Er versuchte, sich die Augen des Jungen zu vergegenwärtigen, aber er hatte schon vergessen, ob sie braun oder blau waren.
    Talley
drückte die Zigarette aus, ging die Straße runter zu seinem Auto und
fuhr nach Hause. Seine Tochter Amanda war elf. Auch ihre Augenfarbe
hatte er vergessen; er nahm sich vor nachzuschauen. Doch er fürchtete,
dass ihm das nun gleichgültig geworden war.
     
     

ERSTER TEIL
     
    Die Avocado-Plantage
     

1
    Bristo Camino, Kalifornien
Freitag, 14:47
    Dennis Rooney
    Es war einer dieser glutheißen Tage. In den Vorstädten nördlich von Los Angeles war die Luft so trocken, als atmete man Sand. Die Sonne brannte auf ihrer Haut wie Feuer. Sie aßen Hamburger aus dem Drive-in und fuhren in Dennis' rotem japanischen Pick-up durch die Gegend. Den hatte er einem Bolivianer für 600 Dollar abgekauft, den er zwei Wochen vor seiner Verhaftung bei der Arbeit auf einer Baustelle kennen gelernt hatte. Vor elf Tagen war der 22-jährige Dennis Rooney aus dem Antelope-Valley-Gefängnis entlassen worden, das die Insassen Ant Farm nannten. Er saß am Steuer, sein jüngerer Bruder Kevin in der Mitte, ein Kerl namens Mars auf dem Beifahrersitz. Dennis kannte Mars erst seit vier Tagen.
    Ein paar Stunden später, als Dennis immer wieder verzweifelt überlegte, was er nun tun sollte, kam er zu der Auffassung, dass es nicht die sengende Hitze gewesen war, die ihn auf die Idee gebracht hatte, ein Verbrechen zu begehen. Sondern Angst. Angst, etwas Besonderes zu verpassen, das auf ihn wartete. Angst, dieses Besondere werde einfach hinterm Horizont und aus seinem Leben verschwinden. Dieses Besondere – seine einzige Chance, etwas aus sich zu machen.
    Dennis beschloss, sie sollten den Minimart überfallen.
    »Wisst ihr was! Wir überfallen den Minimart am anderen Ende von Bristo. Den an der Straße nach Santa Clarita.«
    »Ich dachte, wir wollen ins Kino?«
    Typisch Kevin. Und dazu sein Angsthasengesicht – weit hochgezogene Brauen, Glotzaugen, zitternde Lippen. Viele stellen sich ihr Leben als Film vor. Dennis sah sich in der Rolle des grübelnden Außenseiters – genau der Typ, auf den die heißesten Mädchen scharf waren. Aber sein Bruder war ein Waschlappen, der ihn nur blockierte.
    »Meine Idee ist besser, Angsthase. Wir gehen danach ins Kino.«
    »Du bist gerade erst von der Ant Farm zurück, Dennis. Willst du gleich wieder einsitzen?«
    Dennis schnippte seine Zigarette aus dem Fenster und begutachtete sich im Seitenspiegel, ohne auf Funken und Asche zu achten, die ihm der Fahrtwind entgegenwehte. Er sah sich als einen Mann mit leidenschaftlichen, tiefliegenden, gewitterfarbenen Augen, markanten Wangenknochen und sinnlichen Lippen. Wenn er sich musterte – und das tat er oft –, wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sein Schicksal sich erfüllen und das Besondere, das auf ihn wartete, in sein Leben treten würde. Dann wäre Schluss mit den lausig bezahlten Jobs, und er müsste nicht mehr mit seinem feigen Bruder Kevin in einer runtergekommenen Wohnung hausen.
    Dennis rückte seinen Revolver in der Hosentasche zurecht und sah dann zu Mars
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