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Hostage - Entführt

Titel: Hostage - Entführt
Autoren: Crais Robert
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rüber.
    »Was meinst du?«
    Mars war ein Schrank – breite Schultern, starke Hüften. Er trug Glatze und hatte ein Tattoo auf dem Hinterkopf: BURN IT. Dennis hatte ihn auf der Baustelle kennen gelernt, auf der er mit Kevin tageweise arbeitete. Mars' Nachnamen kannte er nicht. Er hatte nicht danach gefragt.
    »Also – was meinst du?«
    »Fahren wir doch mal gucken.«
    Damit war die Sache klar.
    Die Tankstelle mit dem Minimart lag in der Flanders Road, einer breiten Ausfallstraße, die einige teure Wohngegenden miteinander verband. Vier Zapfsäulen umgaben einen bunkerartigen Laden, in dem es Toilettenartikel, Getränke aller Art und viele Kleinigkeiten für den täglichen Gebrauch gab. Dennis hielt an der Rückseite des Gebäudes, damit man sie von drinnen nicht sehen konnte. Beim Runterschalten machte der Pick-up Zicken – das Getriebe war ziemlich hinüber.
    »Sieh dir das an – nichts los. Prima.«
    »Mensch, Dennis, bau keinen Mist. Die schnappen uns.«
    »Mach dir nicht in die Hose – ich geh nur mal gucken.«
    Bis auf einen schwarzen Kombi, der gerade tankte, und zwei Fahrräder vor der Ladentür war das Grundstück leer. Dennis' Herz schlug laut, und seine Unterarme waren feucht – trotz der furchtbaren Hitze, die ihm die Spucke im Mund verdunsten ließ. Er war nervös, auch wenn er das nicht zugegeben hätte. Gerade aus der Ant Farm entlassen, wollte er nicht schon wieder einsitzen. Aber wie sollten sie denn geschnappt werden? Was konnte hier schon schief gehen? Ein dumpfer Drang riss ihn mit, und Widerstand war zwecklos.
    Kalte Luft schlug Dennis entgegen, als er den Laden betrat. Zwei Kinder standen vor dem Zeitschriftenregal am Eingang. Ein fetter Chinese saß weit nach vorn gebeugt hinterm Kassentresen. Nur sein Kopf ragte über die Tischplatte. Wie ein Frosch, der in einer Schlammpfütze auf Tauchstation gegangen ist.
    Die Verkaufsfläche bestand aus zwei Regalzeilen und einer Kühltruhe voll Bier, Joghurt und Cola. Plötzlich befielen Dennis Zweifel. Vielleicht sollte er Mars und Kevin erzählen, hinterm Tresen säße eine ganze Horde Chinesen? So käme er darum herum, den Laden zu überfallen. Aber er verwarf diesen Gedanken und schlenderte an der Kühltruhe entlang und durch die zweite Regalzeile zum Eingang zurück, um sich zu vergewissern, dass niemand sonst im Geschäft war. Sein Herz klopfte stark, denn er wusste, er würde es tun – er würde diesen Saftladen überfallen. Als er wieder zum Pick-up ging, fuhr der Kombi weg. Dennis hielt auf die Beifahrertür zu. Auf Mars.
    »Da drin sind nur zwei Kinder und ein fetter Chinese. Der sitzt hinterm Tresen.«
    »Koreaner«, sagte Kevin.
    »Häh?«
    »Auf dem Ladenschild steht ›Kim‹. Das ist ein koreanischer Name.«
    Typisch Kevin. Immer eine Klugscheißerei parat. Dennis hätte ihm am liebsten eine verpasst. Stattdessen zog er kurz sein Hemd hoch und ließ den Griff seiner Pistole sehen.
    »Das ist doch wohl egal, Kevin. Der Chinese macht sich in die Hose, wenn er die sieht. Ich muss sie gar nicht erst ziehen. Dreißig Sekunden, und wir sind weg. Der muss sich erst trockenlegen, bevor er die Bullen ruft.«
    Kevin wand sich – mal wieder ein Feigheitsanfall. Seine Augen tanzten nervös herum wie Bohnen in heißem Fett.
    »Bitte, Dennis! Was gibt's hier schon zu holen? Höchstens ein paar hundert Dollar. Gehen wir doch ins Kino!«
    Dennis dachte, dass er womöglich weitergefahren wäre, wenn Kevin nicht so gejammert hätte. Aber nein – der musste ja wieder den Hasenfuß raushängen lassen und ihn damit unter Zugzwang setzen.
    Mars beobachtete die beiden. Dennis spürte, wie er rot wurde, und fragte sich, was Mars von ihm hielt. Der war wirklich ein Brocken – massig und ruhig, wachsam und wie ein Fels in der Brandung. Schon auf der Baustelle war Dennis aufgefallen, dass Mars die Leute eingehend betrachtete und taxierte. Immer wieder beobachtete Mars Unterhaltungen. Zum Beispiel als zwei Mexikaner einen dritten breitschlugen, mit ihnen zusammenzulegen, um ein paar Maispasteten zu kaufen. Mars war stets der unbeteiligte und überlegene Beobachter, als liege das Leben der anderen seit ihrer Geburt offen vor ihm. Als sehe er sie mit fünf ins Bett nässen und sich heute heimlich einen runterholen. Und dann lächelte er leer und unbeteiligt, als wüsste er alles, was sie jetzt und in Zukunft tun würden, selbst wenn es nur um Maispasteten ging. Dieser Gesichtsausdruck war manchmal unheimlich, aber Mars war eigentlich immer mit Dennis'
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