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Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Titel: Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer
Autoren: Christian Montillon
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davon hatte er beantworten können, ebenso wenig wie die Polizei. Niemand wusste, wie der Täter ins Haus gekommen war oder warum er es getan hatte. Es hatte keine verwertbaren Spuren gegeben, keine Hinweise. Nichts. Selbstverständlich war irgendwann der Moment gekommen, an dem Heiko und Charly verdächtigt worden waren … Doch die Ermittler hatten das schnell fallen lassen. Geblieben waren nur das Grauen und die Leere. Und das Bild, wenn Heiko die Augen schloss. Die Tatsache, dass er es bereits vorher gesehen hatte.
    Wenn das so ist und ich sterbe, dann sei nicht traurig.
    Aber er war es.
    Natürlich war er es.
    So sehr, dass er die Traurigkeit schon mehr als einmal auf die einzig denkbare Weise hatte radikal beenden wollen. Aber das durfte er nicht. Wegen Charly. Und vor allem wegen Susi.
    Er ging weiter und öffnete das Gartentürchen im Zaun. Die glatte Eisschicht auf der Klinke schien sich an seinen Fingern festsaugen zu wollen. Schnell ließ er die Hände in den Taschen der dicken Jacke verschwinden. Handschuhe wären sicherlich keine schlechte Idee gewesen.
    Ringsum war es völlig still, nur aus weiter Ferne, kaum wahrnehmbar, erahnte er das Rauschen der Fahrzeuge auf der Autobahn. Da man sie nur vor einem Wetterumschwung hören konnte, wenn besonderer Luftdruck herrschte, hieß das wohl, dass endlich das Ende der Kältewelle bevorstand.
    Sonst war die Stille des Winterwalds beinahe allumfassend, obwohl sie kaum einen Kilometer vom Stadtrand der Metropole Frankfurt entfernt wohnten. Nur sie drei, einsam in der Weite der Natur. Es wäre geradezu eine Idylle, gäbe es nicht die Vergangenheit und ihren andauernden Streit, den sie vor ihrer Tochter mehr oder weniger erfolgreich zu verheimlichen versuchten.
    Die Luft verwandelte die Nase in einen gefühllosen Klumpen, aber sie vertrieb einige der wirren Gedanken. Bald gewöhnte er sich an die Dunkelheit und erkannte schemenhaft die Umrisse der Bäume und der alten Bank, die fast völlig im Schnee versank.
    Die Kälte kroch unter seine Kleidung. Er lief schneller, Bewegung konnte nicht schaden. Mit ein wenig Glück würde er danach besser schlafen, was nichts anderes hieß, als dass er auf eine traumlose Nacht hoffte, in der er nicht seinen toten Sohn vor sich sah. Allerdings glaubte er nicht daran. Bislang hatten weder die Baldriantropfen aus der Hausapotheke noch das Schlafmittel, das er sich heimlich besorgt hatte, die nächtlichen Bilder vertreiben können.
    Bald atmete er schwerer, und in seinen Lungen stach es. Wehmütig dachte er an seine frühere Sportlichkeit zurück.
    Deine Muskeln haben sich zur Ruhe gesetzt und verwandeln sich in Fettpölsterchen, nannte Charly es.
    Den Bauchansatz konnte Heiko tatsächlich nicht leugnen, ganz im Gegensatz zur Figur seiner Frau, die dünner und dünner wurde, seit der Kummer sie zu überwältigen drohte.
    Während er an der vorderen Baumreihe vorbeilief und die durchdringende Kälte langsam aber sicher seine Knochen in Eis verwandeln wollte, wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit. Zu den endlosen Gesprächen mit Polizisten und Psychologen, und zu seiner Tochter, die den Tod ihres Bruders geradezu stoisch gelassen hingenommen hatte. Seitdem schien sie in eine andere Welt abgewandert zu sein; als habe sie Michis psychische … Fehler mit dessen Sterben übernommen.
    Er machte sich Sorgen um Susi, und zugleich war sie so ziemlich der einzige Halt, der ihm noch blieb. Die einzige Aufgabe. Charly hatte er spätestens mit dem Mord an Michi endgültig verloren. Klar, sie lebten noch immer in einem Haus zusammen, und sie redeten jeden Tag ein paar Worte, das war aber auch alles. Nähergekommen waren sie sich nie mehr, weder emotional noch körperlich. Dennoch hingen sie aneinander, wie zwei Ertrinkende, die sich gegenseitig geradeso über Wasser hielten.
    Ein Geräusch lenkte ihn ab, das Knacken eines Zweiges ganz in der Nähe. Er lauschte, versuchte am Boden zu erkennen, ob sich eine Spur durch die Schneedecke zog. In den Wäldern lebten einige Wildschweine, nachtaktive Tiere, die sich vor allem im Winter, wenn sie ihre Jungen warfen, durch gesteigerte Aggression auszeichneten. Ein wütender Keiler hatte schon so manchen Wanderer auf einen Baum getrieben, und darauf verspürte Heiko nicht die geringste Lust.
    Er entdeckte jedoch nichts. Es blieb still. Vielleicht hatte er sich getäuscht. Verrückt – er lauschte in einem nächtlichen einsamen Waldstück aus Angst vor Wildschweinen in die Dunkelheit.
    Leichter Wind
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