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Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Titel: Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer
Autoren: Christian Montillon
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Verdrängen dieser einen speziellen Tatsache geworden war.
    »Darüber, was der Arzt gesagt hat. Dass Michi …«
    »Das ist Unfug!« Sie streckte die Beine aus. Der Saum ihres Pullovers verrutschte. Sie saß nahe genug am Feuer, dass Heiko es nur zu genau erkennen konnte. Die blütenweiße Spitze ihres Höschens lugte über den Bund der Jeans.
    Mit einer beiläufigen Bewegung nestelte sie die Kleidung zurecht und ließ die Zeitschrift fallen. Wahrscheinlich irgendein Modemagazin. »Unser Sohn ist ein Autist, und das wird schlimmer, damit müssen wir uns abfinden. Aber … Ich bitte dich … Alzheimer!« Sie lachte gekünstelt und falsch.
    Es tat weh, es hören zu müssen.
    Heiko setzte sich an den runden Wohnzimmertisch, dessen Platte noch immer die Spuren einiger Wutanfälle des kleinen Michi aufwies. Seit zwei Jahren wollten sie sie nun schon abschleifen, um die Kerben der Gabelzinken verschwinden zu lassen. »Der Arzt war sich sicher, auch wenn er es nicht ganz versteht. Vielleicht müssen wir es einfach anders nennen. Normalerweise ist Alzheimer eine neurodegenerative Erkrankung, die erst bei Leuten über fünfundsechzig Jahren auftritt, aber …«
    »Nichts aber. Die erst bei Leuten über fünfundsechzig auftritt – PUNKT .« Charlotte massierte sich die Schläfen.
    »Aber irgendetwas ist mit Michi«, beharrte Heiko. »Und wir müssen damit klarkommen. Wir müssen auch an Susi denken, weil …«
    Charly stand ruckartig auf. Der Sessel rutschte ein Stück zur Seite, stieß gegen das Beistelltischchen. Die Cola fiel um. Das Glas zersprang. Keiner der beiden achtete darauf.
    »Ich denke immerzu an Susi!«, herrschte Charly ihn an. »Glaubst du etwa, dass ich meine Tochter vergessen könnte?«
    Unsere Tochter , dachte Heiko. Er sagte nichts.
    Als wäre es ein Stichwort, ging die Tür auf, und Susi tapste herein. Sie war elf Jahre alt, aber viele schätzten sie jünger, wenn sie sie zum ersten Mal sahen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie so zierlich aussah, als könne der nächste kräftige Windstoß sie einfach davonwehen.
    Ihr schulterlanges, hellblondes Haar war zerzaust.
    »Streitet ihr schon wieder?«, fragte das Mädchen.
    Heiko sah betroffen nach unten, und Charly wusste offenbar auch nicht, was sie sagen sollte. Mit dem zielsicheren Instinkt der Mutter lenkte sie allerdings rasch vom Thema ab: »Du bist ja immer noch nicht umgezogen. Und was ist mit deinem T-Shirt?«
    Susi nestelte am Halsausschnitt. Er war eingerissen. »Ich bin gerade erst von Steffi zurückgekommen. Ich bin unterwegs hingefallen, deshalb ist das Shirt oben kaputt. Auch der Rock ist dreckig. ’tschuldige, ich muss ihn in die Wäsche werfen.«
    »Beeil dich, es ist schon spät.«
    Heiko ging zu seiner Tochter. »Aber dir ist nichts passiert?«
    »Nö«, sagte das Kind fröhlich und summte eine leise Melodie, als es sich umdrehte und das Wohnzimmer verließ, um nach oben ins Bad zu gehen.
*
    Müde schob Heiko eine Tasse unter die Ausgabestelle des Kaffeeautomaten und schaltete ihn ein. Es war eine alte Angewohnheit aus Studententagen, den Automaten stets dort parat zu haben, wo Heiko die meiste Zeit verbrachte – und das war nun einmal nicht die Küche, sondern das Wohnzimmer. Charlotte hatte es zähneknirschend akzeptiert und im Gegenzug die unsagbar hässliche Hundeskulptur mit in die Ehe gebracht, die noch immer ihren Platz im Schlafzimmer fand. Wenigstens musste er sie nicht mehr jeden Abend sehen, seit er ausgewandert war.
    Ausgewandert.
    Das hörte sich nicht dramatisch an. Nicht so, als stecke eine Menge Bitterkeit darin.
    Blinkend erwachte die Kaffeemaschine zum Leben und brummte. Heikos Meinung nach klang es, als würde ein Jugendlicher einen Schleimbatzen aus der Kehle hochwürgen und ausspucken. Der Kaffee schmeckte allerdings gut, und das wog alles andere auf. Pechschwarze Flüssigkeit tropfte in die Tasse.
    »Jetzt noch?«, fragte Charly. »Heiko, es kann mir ja völlig egal sein, aber du bist hundemüde, und du weißt doch, dass du nach Koffein schlecht schläfst.«
    Heiko riss zwei Zuckersticks auf und schüttete den Inhalt in den Kaffee, denn er musste süß sein. Süß und heiß. »Mir ist nicht nach Schlafen zumute.« Das war nicht einmal gelogen, sondern eine offene und ehrliche Antwort. So weit war es noch nicht gekommen, dass er Charly anlog. Ihre Ehe war noch nicht gescheitert. Alle Menschen quälten sich schließlich mit Problemen, und gab es überhaupt Ehen ohne Streit? Es musste einfach alles wieder in Ordnung
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