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Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer

Titel: Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer
Autoren: Christian Montillon
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kommen, allein um der Kinder willen. Ja, das mit Michi war ein verdammtes Scheißproblem, und jetzt noch schlimmer als jemals vorher, aber sie würden es schon schaffen. Die Krankheit (welche auch immer genau es sein mochte) strafte den Jungen doch genug, sollten sich da etwa auch noch die Eltern scheiden lassen?
    »Du siehst aber müde aus«, sagte Charly.
    So viel Anteilnahme und Wärme hatte Heiko lange nicht mehr in ihrer Stimme gehört. Da erst fiel ihm auf, wie sehr er dieses Gefühl vermisste. »Vielleicht hast du recht.« Das Zuckerpapierchen zerknüllte er, stand auf und schnippte es in den Mülleimer am Rand des Tischs.
    Das Feuer knisterte im Kamin und überzog Charlys Gesicht mit roten Schatten. Ihre blonden Haare lockten sich leicht, und sie war schön. Seit einer Ewigkeit hatte er das nicht mehr bemerkt. Offenbar war nur diese winzige Geste ihrerseits nötig gewesen, um ihm in Erinnerung zu rufen, was er tief in sich begrub. Er liebte seine Frau doch. Natürlich liebte er Charly. Schon mehr als drei Viertel seines Lebens lang, seit er sie zum ersten Mal getroffen hatte, in Berlin, im strömenden Regen, als sie beide notdürftigen Schutz unter der alten Markise eines Trödelladens suchten, von einem Unwetter bis auf die Knochen durchnässt.
    Er näherte sich ihrem Sessel und setzte sich auf die Lehne. Aus Versehen trat er auf die Zeitschrift. Ein langweiliges akademisches Gesicht zerknitterte unter seinen Füßen. Es war alles andere als eine Modezeitschrift; wahrscheinlich eins dieser semiprofessionellen psychologischen Magazine. Charly verschlang jede Zeile über Neurologie und Gehirnforschung, die sie in die Finger bekam.
    Einen Moment lang flackerte Unsicherheit in Charlottes Zügen. Dann schlug das Pendel aus – zur falschen Seite.
    »Lass das, Heiko.«
    Charly wand sich aus dem Sessel, und der Stoff der Jeans spannte eng um die Hüfte. Ihr Hintern war perfekt. »Ich gehe schlafen. Mach du doch, was du willst.«
    »Willst du nicht über Michi …«
    »Reden?«, unterbrach sie ihn. »Was sollen wir reden? Überlass du einfach Michi mir, und kümmere dich um dich selbst. Fang dich wieder. Du musst endlich wieder regelmäßig arbeiten, oder soll ich das auch noch erledigen? Wir brauchen das Geld. Die Sorgen stehen dir doch ins Gesicht geschrieben … Und glaubst du, die Leute schenken einem Restaurator ihr Vertrauen, der aussieht wie eine wandelnde Leiche?« Charly zog sich zurück.
    Er hörte jeden einzelnen Schritt auf der Treppe. Sie ging nach oben, ins Schlafzimmer, das sie schon seit Wochen nicht mehr miteinander teilten. Der Kellerraum war zunächst nur ein Provisorium für ihn gewesen, doch inzwischen fühlte er sich dort heimischer als irgendwo sonst; dort arbeitete er als freischaffender künstlerischer Restaurator, dort schlief er.
    Nur klappte es mit der Arbeit alles andere als gut. Für seine aktuelle Restauration hatte er schon seit Tagen keinen Finger mehr krumm gemacht und mehr als eine Mail-Nachfrage des Kunden einfach ignoriert. Das Ölgemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert stammte aus der Privatsammlung eines neureichen Schnösels, der vom künstlerischen Wert des Bildes und den komplizierten Restaurationsvorgängen keinerlei Vorstellung hatte, sondern nur darauf drängte, das Teil bald wieder seinen Partyfreunden präsentieren zu können.
    Heikos Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, Spuren von Erbrochenem, in das sich ein zerkauter Joint (und Heikos Meinung nach auch ein wenig Sperma sowie etwas Blut) mischte, restlos zu entfernen und dabei die angefressenen Farben aufzufrischen. Er hatte diesem verrückten Lotteriegewinner gegenüber etwas von Ein-Monat-Arbeit-bei-einem-Tagessatz-von-500-Euro gefaselt, wobei Spermareste besonders schwer zu entfernen wären.
    Das war zwar gelogen, aber der Hinweis, dass er auch dafür der richtige Fachmann sei, hatte die gewünschte Wirkung erzielt und ihm eine überdimensionale Bezahlung für eine knappe Woche Arbeit eingebracht. Das schlechte Gewissen plagte ihn seitdem, aber in diesem Fall hatte er ein gutes Vorbild. Er nahm wie Robin Hood von einem Reichen, um es den Bedürftigen zukommen zu lassen: Sich selbst und seiner Familie, die ein wenig Stressabbau mehr als nötig hatte.
    Seltsam, nun, da er darüber nachdachte, glaubte er plötzlich, dass da noch etwas gewesen war. Mit dem Bild. Oder … in dem Bild. Etwas, das …
    … das …
    Heiko konnte den Gedanken nicht greifen, und mit einem Mal verflüchtigte er sich wieder.
    Langsam ging
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