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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel
Autoren: Thráinn Bertelsson
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worden ist, gestattet, eine wohlverdiente Strafe zu fordern.
Dieses Gesetz ist ins Herz eines jeden Menschen geschrieben. Auge
für Auge. Leben für Leben.«
    Víkingur schaute die Frau an. Ihre Worte wiesen darauf hin,
dass sie seelisch nicht im Gleichgewicht war, ihr Auftreten aber
auf das Gegenteil. Sie strahlte die Souveränität
desjenigen aus, der sich seiner Sache sehr sicher ist. Es gab
keinen Zweifel an ihrer Beteiligung an dem Fall, den sie
untersuchten. Dem Fall, den Randver untersuchte. Es war die Frage,
ob es vernünftiger war, sie sofort zu verhaften und zum
Verhör zu bringen, oder bis morgen zu warten.
    Edda selbst nahm ihm diese Entscheidung ab.
    »Noch Kaffee?«, fragte sie, stand auf und hob die
Kaffeekanne an.
    Nein, danke, sie wollten keinen Kaffee mehr. Víkingur warf
einen Blick auf Randver und sah, dass der offenbar auch
darüber nachdachte, ob sie die Frau verhaften
sollten.
    Als Edda mit der Kaffeekanne in die Küche ging, flüsterte
Randver: »Entweder ist die Frau verrückt oder wir
müssen sie verhaften.«
    Víkingur nickte und im selben Moment war ein Schuss zu
hören und die Zuckerdose auf dem Tisch zwischen ihnen
zersprang. Víkingur warf sich auf den Boden und stieß
den Tisch um, indem er dessen Beine ergriff.
    Randver saß mucksmäuschenstill auf seinem Stuhl und
schaute Edda an, die mit einer Pistole in der Hand in der
Küchentür stand.
    Augenblicklich nahm Randver wahr, dass es sich um die berühmte
Pistole Walther PPK handelte, mit acht oder neun Schuss,
wahrscheinlich neun, einer im Lauf, acht im Magazin. Edda hielt die
Waffe mit beiden Händen und richtete sie abwechselnd auf
Randver, der bewegungslos dasaß, und auf die Tischplatte,
hinter der Víkingur sich verschanzt hatte.
    »Entschuldigt«, sagte sie. »Das war ein
Warnschuss, um euch zu zeigen, dass ich mit einer Waffe umgehen
kann. Víkingur, du kannst aufstehen. Die Tischplatte ist
nicht dick genug, um dich zu schützen. Habt ihr Schusswaffen
dabei?«
    Randver schüttelte den Kopf und Víkingur stand langsam
auf.
    »Hände hoch. Ich will sie sehen.«
    Sie taten wie geheißen.
    »Keine Schusswaffen?«
    »Wir laufen nicht mit Waffen herum«, sagte
Randver.
    »Und Handschellen?«
    Randver nickte. Víkingur gab keine Antwort.
    »Nimm die Handschellen. Aber langsam.«
    Randver griff nach den Handschellen, die hinten an der Hüfte
über seinen Gürtel hingen.
    »Jetzt befestigst du die Handschellen an deiner linken Hand
und an seiner rechten. Und machst fest zu. Ja, so.
    Und dann will ich den Schlüssel haben.«
    Randver warf ihr ein Lederetui zu.   
     
    »Er ist da drin, zusammen mit meinen
Autoschlüsseln«, sagte er.
    Edda bemühte sich nicht, das Etui vom Boden
aufzuheben.
    »Also«, sagte sie. »Dann wollen wir uns mal
aufmachen. Randi geht vor, dann Víkingur. Aber
langsam.«
    Sie taten, wie sie es ihnen befahl. Auf dem Platz vor dem Hof
zeigte sie auf den Geländewagen. »Du fährst«,
sagte sie zu Víkingur.
    Der Schlüssel steckte.
    Sie machte es sich auf der Rückbank bequem und hielt die
Pistole hoch.
    »Wohin soll ich fahren?«, fragte
Víkingur.
    »Weiter runter bis nach Gunnarsholt. Ganz ruhig.
    Dann sage ich dir, wie es weitergeht.«
    Víkingur fuhr los.
    »Ganz ruhig«, wiederholte sie. »Lass dir
bloß nicht einfallen, vom Weg abzubiegen oder das Auto in den
Graben zu setzen.«
    Langsam fuhren sie den steinigen Weg Richtung Gunnarsholt
entlang.
    »Randver«, sagte Randver plötzlich.
    »Ja, was?«, fragte Edda.
    »Ich heiße Randver und nicht Randi.«
    »Es ist mir völlig gleich, wie du heißt. Du
spielst für mich keine Rolle«, sagte Edda. »Wenn
ihr am Leben bleiben wollt, macht ihr genau das, was ich euch sage,
und dann kommt alles in Ordnung.«
    »Glaubst du wirklich, dass du damit durchkommst?
    Spätestens Mitternacht wird nach uns
gesucht.«
    »Dann bin ich bereits im Ausland«, sagte
Edda.
    »Glaubt ihr, ich habe euch nicht erwartet? Ich bin nur
erstaunt, dass ihr so lange gebraucht habt.«
    »Vor morgen früh geht kein Flug«, sagte Randver.
»Du kommst nirgendwohin. Hör jetzt mit diesem Unfug auf,
Mensch. Wir werden diese Sache mit Vernunft
lösen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Edda. »Diese Sache
wird mit aller Vernunft gelöst. Ich habe euch schon lange
erwartet. Als ich gesehen habe, dass ihr unterwegs seid, habe ich
in Deutschland angerufen. Jetzt ist schon ein Privatjet unterwegs,
um mich abzuholen. Wenn ihr freikommt, bin ich weit, weit weg. Hier
im Auto ist alles, was ich brauche,
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