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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel
Autoren: Thráinn Bertelsson
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einem
Siloturm am Ende der Heuwiese wehen sah, traute sie ihren Augen
kaum. Das war ein seltsamer Zufall.
    Sie befand sich auf dem Weg, der von der Nationalstraße
Nummer 1 nach Gunnarsholt führt. Sie hielt den Wagen an, nahm
ein Fernglas aus dem Handschuhfach und stieg aus, um die Fahne in
Augenschein zu nehmen.
    Die Oma väterlicherseits hatte sich bereit erklärt, beim
Jungen zu bleiben. Er hatte Schmerzmittel bekommen und
schlief.
    Als Randver anrief und nach Terje fragte, hatte sie ein schlechtes
Gewissen bekommen. Sie hatte sich durch Familienangelegenheiten von
der Arbeit abhalten lassen ­ was vielleicht verzeihlich war
­, aber sie hatte damit ihren Kollegen im Stich gelassen und
ihn allein ins Ungewisse fahren lassen. Sie hatte ihn zwar gebeten,
jemanden mitzunehmen, aber natürlich war Terje ein zu
großer Starrkopf, um ihren Rat befolgen zu können. Sie
hatte ständig versucht, ihn anzurufen, aber mal war das
Telefon außerhalb des Versorgungsbezirks, mal antwortete er
nicht.
    Schließlich hatte sie versucht, Randver anzurufen, aber als
auch er nicht antwortete, war sie unruhig geworden, hatte die Oma
des Jungen angerufen und sich, nachdem diese eingetroffen war, auf
den Weg gemacht.
    Der Hof, über dem die Fahne wehte, schien unbewohnt. Der
Anstrich blätterte von den großen Gebäuden ab, oder
vielleicht waren sie nie gestrichen gewesen.
  
     
    Dunkelgraue, finstere Betonhäuser wie eine alte
Festung.
    Es gab kein Vertun. Die Flagge war gelb und auf ihr prangte ein
roter Adler, der die Flügel halb ausbreitete.
    Der Reichsadler, hatte Theódór gesagt.
    Das ist ein zu seltsamer Zufall, um ein Zufall zu sein, dachte
Dagný und beschloss, dem Hof einen Besuch
abzustatten.
    Sie fand keinen Abzweig, bevor sie Gunnarsholt passiert hatte. Dort
sah sie einen Fahrweg, der laut Schild zwar angeblich nach
Steinkross führte, aber in genau entgegengesetzter Richtung
verlief. Sie fuhr weiter, und schneller, als sie gedacht hatte, kam
sie zu einer Abzweigung, die nach rechts führte. Dagný
hatte keine besonders gute Orientierung und sprach in der Regel nur
von zwei Richtungen, nämlich rechts und links. Dieser Abzweig
wies in die richtige Richtung, also bog sie rechts ab und merkte
sich den Namen des Hofes, der auf dem Schild stand:
Ketilhúshagi. Der Weg führte über eine sandige
Hügelkuppe und dann erschienen die Gebäude wieder. Sehr
undeutlich sah sie etwas Weißes, das vor einem der
Gebäude stand.
    Sie hielt an und nahm das Fernglas heraus. Es war das Heck des
weißen Toyotas.
    Dagný wollte näher heranfahren, überlegte es sich
aber anders, warf das Fernglas auf den Beifahrersitz, stieg aus und
ging auf die Gebäude zu. Ihr kam gar nicht in den Sinn, dass
Terje sich in Schwierigkeiten befinden könnte, aber sie wollte
herausfinden, was hier los war, und hielt es daher für
unnötig, ihre Ankunft mit Motorgeräuschen
anzukündigen. Sie ging an den Gebäuden entlang, bemerkte
aber nichts Besonderes. Der Silageturm, auf dem die Fahne wehte,
war offenbar leer und seine Tür mit Hängeschlössern
versperrt. Sie waren verrostet, sodass ihre Geschicklichkeit im
Aufbrechen von Schlössern nicht gefragt war. Als sie zu einem
länglichen, niedrigen Gebäude kam, sah sie eine Tür,
die halb offen stand. Sie schaute vorsichtig hinein, sah aber
niemanden. Obgleich Dagný ein Stadtkind war, vermutete sie,
dass es ein Kuhstall hätte werden sollen, auch wenn alle
Einrichtungen fehlten und es auch nicht so aussah, als sei er
jemals von einem Tier betreten worden. Der Kuhstall war mit einem
weiteren Gebäude verbunden, und am gegenüberliegenden
Ende entdeckte sie zwei Türen.
    Scheune und vielleicht Garage, dachte sie und ging darauf zu, um
nachzusehen, ob man die Türen vielleicht öffnen konnte.
Als sie sich dem Ende des Kuhstalls näherte, glaubte sie den
Klang von Stimmen zu hören. Sie schlich sich zu der Tür,
die ihr am nächsten war, und legte das Ohr daran. Doch sie
hörte nichts außer ihrem eigenen Atem und dem
Herzschlag, der viel schneller als gewöhnlich war. Sie atmete
tief ein und schlich zur anderen Tür. Es gab keinen Zweifel.
Da drin sprach jemand mit Feuereifer.
    Zwischen Rahmen und Tür war ein kleiner Spalt, aber als sie
hindurchlugte, war niemand zu sehen, nur ein altmodischer
Ledersessel auf irgendeiner Art von Podest und über dem Sessel
ein großes Bild, ein roter Adler auf gelbem Grund,
amateurhaft gemalt.
    Sie legte ihr Ohr an den Spalt und spürte, wie die Tür
nachgab. Hielt vor Schreck
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