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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel
Autoren: Thráinn Bertelsson
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fragte der
Wärter, der plötzlich das Interesse an einer weiteren
Unterhaltung verloren hatte. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Dann eilte er hinaus und ließ die Tür offen.
    » Klootzak «, murmelte van Turenhout,
»Scheißkerl.«
    So standen sie zu dritt in dem fensterlosen Raum: van Turenhout,
Hoofdinspecteur vom DIP, einer Abteilung für internationale
Zusammenarbeit der holländischen Staatspolizei, und die
isländischen Gäste, die Eheleute Þórhildur
Magnúsdóttir, Gerichtsmedizinerin, und
Víkingur Gunnarsson, Polizeidirektor im Großraum
Reykjavík.
    Neonlicht an der Decke. Anstaltsgrüne Wände. Van
Turenhout wies Þórhildur auf vier weiße
Plastikstühle mit metallenen Beinen hin, die an der Wand
gegenüber der Tür standen. Sie schüttelte den
Kopf.
    Aus dem Gang hörte man fröhliches Pfeifen,
Türenknallen und Schritte.
    Víkingur betrachtete Þórhildur. Sie starrte auf
die Tür und schien gedanklich woanders zu sein. Plötzlich
blickte sie auf und sah den besorgten Ausdruck im Gesicht ihres
Ehemannes. Er machte sich Sorgen um sie. Eine winzige Kopfbewegung
reichte, um Víkingur zu verstehen zu geben, dass seine
Fürsorge nervte, sogar demütigend sei. Er versuchte, ihr
mit den Augen zuzulächeln, sie wie ein Kind zu ermutigen. Sie
antwortete, indem sie durch ihn hindurchblickte.
    Nichts von dieser subtilen Kommunikation entging van Turenhout,
auch wenn der riesenhafte dunkelhäutige Polizist aussah, als
wäre er so feinfühlig wie ein Nashorn.
    Er schloss die Augen und dachte an seine Maaike. Um ihr einen
Gefallen zu tun, hatte er mit den Mordermittlungen aufgehört
und sich einen Bürojob in der internationalen Abteilung
besorgt. Und kaum erschien er abends regelmäßig zum
Essen, entwickelte sie die Marotte, dass er dringend eine Diät
benötige.
    Van Turenhout dachte manchmal an das, was Wiet van Broeckhoven
einmal im Spaß gesagt hatte: »Meine Frau führt ein
Doppelleben: ihr eigenes und meins.«
    In jedem Scherz steckt eine Spur Wahrheit.
    *****
    Van Turenhout spürte die angespannte Atmosphäre zwischen
seinen isländischen Gästen. Unangenehme Schwingungen, wie
man sie eigentlich nur zwischen Eheleuten findet. Mijnheer
Polizeidirektor Gunnarsson und Mevrouw Gerichtsmedizinerin
Magnúsdóttir. Ein Ehepaar ohne einen gemeinsamen
Namen.
    Er hatte sie morgens am Bahnhof in Den Haag empfangen und zum
dortigen Leichenschauhaus begleitet, um ihnen den Toten zu zeigen,
der am 31. Mai im Rotterdamer Hafen gefunden worden war; ein
männlicher Leichnam, der Kopf, Hände und Füße
verloren hatte, verpackt in einer Reisetasche.
  
     
    Van Turenhout hatte die isländische Polizei auf diesen
Leichenfund aufmerksam gemacht, weil sich in der Tasche ein
Papierbrei befunden hatte, von dem die Spezialisten des NFI sagten,
dass es sich um Zeitungsreste handele. Denkbar, dass die Zeitung
zum Abtupfen verwendet worden war, als die Leiche zerteilt wurde.
Es stellte sich heraus, dass es isländische Zeitungen waren,
und zwar drei oder vier Ausgaben des
>Fréttablaðið< vom vergangenen
März.
    Diese Zeitungsreste waren der einzige Hinweis, den die
holländische Polizei auf die Herkunft des Mannes hatte. Die
Tasche der Marke Samsonite aus dunkelgrauem Kunststoff stammte aus
der Produktion von 1996, die in Geschäften rund um den Globus
verkauft wurde.
    Man würde ihre Herkunft kaum zurückverfolgen können.
Der Torso war der eines Mannes von 30 bis 35 Jahren, plus/minus
etwa drei Jahre. Übliche Methoden der Identifizierung
ausgeschlossen. Einen Toten ohne Kopf kann man nicht am Gesicht
oder an den Zähnen erkennen. Von einem Leichnam ohne
Hände kann man keine Fingerabdrücke nehmen und eine
Leiche ohne Füße gibt keine Informationen über
Körper- oder Schuhgröße preis.
    Der Tote hatte bereits eine Weile im Leichenschauhaus in Den Haag
gelegen, als van Turenhout Víkingur und die isländische
Polizei benachrichtigte.
    Als Þórhildur erfuhr, dass möglicherweise eine
Verbindung zu einer weiteren Leiche bestünde, die auf dem
Flughafen Schiphol aufbewahrt wurde, beschloss sie, nach Holland zu
reisen. Und zwar weil sie seit Wochen kein Lebenszeichen von ihrem
Sohn Magnús erhalten hatte. Zuletzt hatte er angerufen und
erzählt, er sei in Holland und würde sich in Kürze
wieder melden. Víkingur bestand darauf, sie zu
begleiten.
    »Der 30­35 Jahre alte Mann, der tot im Hafen von
Rotterdam gefunden wurde, kann unmöglich Magnús
sein«, sagte Víkingur zu seiner Frau.
»Außerdem sieht man auf den Fotos dieses
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