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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel
Autoren: Thráinn Bertelsson
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zu
ihr unter die Decke zu kriechen. Sie zu umarmen. Ihr zu sagen, dass
er sie liebte und sie selbst entscheiden dürfe, ob sie einatme
oder nicht; nur dass sie sich nicht einigeln und ihn
ausschließen dürfe.
    Wie können zwei Menschen, die einander lieben, so ungeheuer
einsam sein?, fragte er sich und ging ins Badezimmer, um Wasser in
die Wanne einzulassen.

Vier
    Das Restaurant, in dem van Turenhout einen Tisch reserviert hatte,
war eine kleine indonesische Gaststätte in der Nähe des
Rembrandtplein an der Utrechtstraat und hieß Tempo
Doeloe.
    »Ich rufe dich an, wenn du uns abholen sollst«, sagte
van Turenhout zu seinem Chauffeur und wandte sich dann
Víkingur zu. »Wenn ich mit Gästen essen gehe,
dann entweder in dieses Restaurant oder ins Hotel Plaza.
    Ich habe diesmal das Tempo Doeloe ausgesucht und hoffe, dass du
nicht enttäuscht sein wirst.«
    »Lässt du den Zufall entscheiden, welchen Ort du
wählst?«, fragte Víkingur.
    Van Turenhout lächelte. »Nein, das nicht. Ich versuche
zu erraten, ob die Gäste mehr Wert auf gutes Essen oder
fabelhaftes Ambiente legen.«
    »Mir gefällt das Ambiente hier sehr gut«, sagte
Víkingur.
    »Das freut mich, denn das Essen hier ist besser als im Hotel
Plaza. Tempo Doeloe bedeutet eigentlich >Damals<«,
sagte van Turenhout. »Soviel weiß ich, auch wenn ich in
der Sprache meiner Vorfahren nicht gerade gut bin.
    Ich bin sozusagen ein Kind der europäischen Kolonialpolitik
und ein ehelicher Sohn der Vereenigde Oostindische Compagnie, der
Niederländischen OstindienKompanie. Meine Familie stammt von
Tidore, was eine der Molukken-Inseln in Indonesien ist. Man nannte
sie die Gewürzinseln, und die Immigranten von dort sind das
Gewürz in der holländischen Gesellschaft, die meiner
Meinung nach auch dringend Würze brauchte.«
    Víkingur hörte van Turenhout mit einem Ohr zu,
während er in der viersprachigen Speisekarte hin- und
herblätterte.
    *****
    »Wenn du magst, bestelle ich für uns beide«, bot
van Turenhout an. »Wenn jemand dieses Restaurant zum ersten
Mal besucht, verschwendet er oft wertvolle Zeit damit, die
Speisekarte zu lesen, bestellt dann doch der Einfachheit halber das
>Rijstaffel-Angebot< und hat am Ende keine Ahnung, was er da
eigentlich isst.«
    Víkingur gefiel der Vorschlag, also rief van Turenhout den
Kellner und diktierte ihm eine Zahlenreihe so schnell, dass der
Schwierigkeiten hatte, die Bestellung mitzuschreiben.
    »Kannst du alle Nummern der Speisekarte auswendig?«,
fragte Víkingur.
    »Nur die der besten Gerichte«, antwortete van
Turenhout. »Wir haben Glück, denn der Kellner sagt, die
King Prawns seien frisch und lecker. Außerdem habe ich uns
Bier zum Essen bestellt. Wo war ich bei meiner Autobiographie
angekommen?«
    »Kurz vor der Geburt«, sagte
Víkingur.
    »Also, ich bin in Rotterdam geboren und dort aufgewachsen. In
Indonesien war ich nur einmal«, fuhr van Turenhout fort.
»Als Jugendlicher beschloss ich, entweder Verbrecher oder
Soldat zu werden. Ich entschied mich für die Armee.
Irgendetwas in mir wollte einer starken, verschworenen Gemeinschaft
angehören, einer Gang von Kriminellen, der Armee oder eben der
Polizei. Ich wollte zum Militär, fiel aber bei irgendeinem
Persönlichkeitstest mit Pauken und Trompeten durch.
    Die Psychologen meinten, ich sei zu gewaltbereit, um in die Armee
aufgenommen zu werden. Also habe ich mit der Schule weitergemacht
und danach sogar angefangen, Psychologie zu studieren, vielleicht,
um herauszufinden, was die Psychologen an mir auszusetzen
hatten.«
    Es überraschte Víkingur, wie gesprächig und
offenherzig sein großgewachsener Kollege war. Van Turenhout
machte eine Pause, während der Kellner zwei
Halblitergläser Bier auf den Tisch stellte.
    »Ich habe Theologie studiert«, sagte Víkingur,
um auch irgendetwas zu dem Gespräch beizutragen. »Ich
war anscheinend auch zu gewaltbereit, denn schließlich bin
ich nicht Pfarrer, sondern Polizist geworden. Du bist also
Psychologe?«
    »Nein, von Psychologie verstehe ich nichts«, entgegnete
van Turenhout. »Ich habe viel zu viel geraucht, um mich bei
den Prüfungen an irgendetwas zu erinnern.
    Dann wurde mir langsam klar, dass Psychologe für einen Mann
wie mich vielleicht nicht der geeignetste Beruf
ist.«
    »Warum nicht?«
    »Prost«, schob van Turenhout ein und hob sein
Glas.
    »Wenn du eine empfindsame Seele mit Weltschmerz wärst,
würdest du dann zu einem riesigen Molukken mit
Rastazöpfen gehen, um über deine Existenzangst zu
sprechen? Ja,
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