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Gib dich hin (German Edition)

Gib dich hin (German Edition)

Titel: Gib dich hin (German Edition)
Autoren: Kerstin Dirks
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Prolog  
     
    Was für ein verdammtes Drecksloch! Feucht und dunkel, der letzte Ort, an dem er jetzt hätte sein wollen. Durch die dicken Gitterstäbe sah er seine Mitgefangenen. Die schrecklichsten Kreaturen, die diese Welt hervorgebracht hatte. Sie trugen widernatürliche Beulen und manche von ihnen sogar Hörner auf den kahlen Schädeln, die sie über alle Maßen entstellten. Dämonen. Und zwar der unterste Abschaum von ihnen. Wie er diese Pest hasste. Ihr Anblick löste Übelkeit in ihm aus. Doch im Kerkertrakt unter der Arena machte sich niemand die Mühe, sein Antlitz zu verbergen, sich in seine menschliche Hülle zu kleiden, wie sie es in der Oberwelt täten, um nicht aufzufallen. Hier waren sie unter ihresgleichen, und hier legte man keinen Wert mehr auf Äußerlichkeiten.  
    Zwei Wärter standen vor seiner Gittertür, muskulöse Kerle, die den Gefangenen an Hässlichkeit in nichts nachstanden. Der Größere der beiden hatte einen Überbiss, aus dem gewaltige Hauer ragten, mit denen er gewiss einen Armknochen durchtrennen konnte, wenn er es drauf anlegte. Es war das Gebiss eines urzeitlichen Raubtiers. Ihre Aufgabe war es, die Gefangenen für die großen Spiele auszuwählen, wo sie bis aufs Blut gegen dämonische Gladiatoren kämpften oder – schlimmer noch – den Höllenkreaturen zum Fraß vorgeworfen wurden.  
    Früher oder später war jeder von ihnen an der Reihe, um sich dem Kampf zu stellen. Wer als Sieger hervorging, wurde am Leben gelassen und in den Kerker zurückgebracht, bis er schließlich irgendwann erneut in der Arena einem Gegner in die Augen blickte. Die Spiele waren inspiriert von den Gladiatorenkämpfen des alten Rom. Niemand nahm freiwillig an den Wettkämpfen teil. Es waren Sklaven und Gefangene. Auch ihn würden sie eines Tages mitnehmen, und vor diesem Tag graute ihm. Oh, gäbe es hier unten nur etwas Tageslicht, das wäre seine Rettung! Sonne verwandelte seinen Körper in massiven Stein. Und wer aus Stein war, der fühlte nichts, hörte nichts, sah nichts, bekam nichts von diesem Grauen mit. Aber Sonnenstrahlen drangen nie ins Unterreich.  
    Er lehnte sich mit geschlossenen Augen an seine Kerkertür. Die Gitterstäbe fühlten sich kalt an. Genauso kalt wie das Eisen, das seine Handgelenke umschloss. Er wusste schon gar nicht mehr, wie lange er diese Schellen trug. Es mochten über hundert Jahre sein. Zuerst war er der Sklave einer herrischen Dämonin gewesen, die ihn dann an einen neuen Herrn weiterverkauft hatte, bis er irgendwann hier unten gelandet war. Die Zeit im Unterreich verlief anders, denn es gab weder Sonne noch Mond, sondern nur ewige Dunkelheit, die selbst die Fackeln an den Wänden nicht vertreiben konnte. Und so ging auch das Zeitgefühl verloren.  
    Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Über ihnen schallte der tosende Applaus der hohen Dämonen, der vom Ende eines Kampfes zeugte, und ihre Jubelschreie drangen sogar durch die dicken Wände der Kerkeranlage. Im Gefangenentrakt wurde es unruhig. Die Wärter setzten sich in Bewegung. Langsam schritten sie durch den Trakt, und jeder Insasse senkte rasch den Kopf, in der Hoffnung, von den sadistischen Aufpassern übersehen zu werden. Die hungrige Meute in der Arena gierte nach einer Zugabe. Sie trommelten und klatschten. Auch er hoffte, nicht aufzufallen, hoffte, dass ein anderer statt seiner ausgewählt würde. Aber die Wärter standen auffällig lange vor seiner Zelle. Geht weiter, flehte er insgeheim. Nehmt einen anderen.  
    Der Hüne beugte sich vor, offenbar in der Absicht, ihn näher zu beäugen. Dabei schob sich sein riesiger Schatten fast vollständig über ihn, und sein Blut schoss heiß durch seine Adern, das Herz flatterte wie wild. Bitte, nicht ich. Ein rostiger Schlüssel drehte sich im Schloss, und es war entschieden. Die beiden Wärter betraten seine Zelle und betrachteten ihn noch einmal ausführlich aus der Nähe.  
    »Er ist schön«, flüsterte der kleinere Dämon sichtlich ergriffen und packte sein Kinn, drehte seinen Kopf von einer Seite zur anderen, wie man es auf einem Pferdemarkt machte. »Schön wie ein Engel. So etwas sieht man hier selten.«  
    Jeder Muskel in seinem Leib spannte sich an.  
    »Sie werden es lieben, ihn kämpfen zu sehen«, entschied der Größere und machte sich an seinen Ketten zu schaffen, löste die Schellen zuerst an den Fuß-, dann an den Handgelenken. Das Geräusch von auf der Stelle trampelnden Füßen erfüllte die Kerkerräume. Das Publikum wurde
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