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Hölle mit Vollpension

Hölle mit Vollpension

Titel: Hölle mit Vollpension
Autoren: Carter Brown
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machte ich so ausgezeichnete Zeit, bis zu dem Moment, als mich gleichzeitig in beiden Beinen der Krampf packte. Dagegen konnte ich nun schlankweg gar nichts tun. Einige entsetzliche Sekunden lang hielt ich mich noch mit Armbewegungen über Wasser, doch dann sanken meine Beine immer tiefer, und ich begriff, daß Larry Bakers letzte Stunde geschlagen hatte. Was für ein jämmerliches Ende! Allein, mitten im fremden Strom, und im Ausland... Dennoch, ich konnte es nun nicht mehr ändern und sagte der schönen Welt gerade adieu, als ich mit den Füßen auf Grund stieß und mich in drei Fuß tiefem Wasser aufrichtete.
    Das Hinaufwaten zum Ufer schien danach eine Art Anti-Klimax; allerdings, so überlegte ich dankbar, war das Bewußtsein, noch unter den Lebenden zu weilen, eine angemessene Entschädigung dafür. Langsam ging ich weiter, bis ich die Uferböschung erklommen hatte und sah, daß gerade vor mir ein Haus lag, mit hell erleuchteten Fenstern. Ich erreichte einen sorgsam gepflegten Rasen, danach einen Betonweg, der zur Hinterseite des Hauses führte. Fast hatte ich sie erreicht, als eine Terrassentür aufging und ein Mädchen ins Freie trat.
    Eine hochgewachsene und ansehnliche Blondine, der weizengelbes Haar auf die Schultern fiel. Sie trug eine schwarz-weiß-gelb gemusterte Hose, die von der Hüfte bis zum Knie eng anlag, sich weiter unten aber extravagant bauschte, und ein passendes BH-Leibchen, dem man nur gerade so viel Stoff gelassen hatte, wie zum knappen Verhüllen der frechen kleinen Brüste notwendig gewesen war. Ein Kettengürtel schmiegte sich zollbreit unterm Nabel um die Taille, und ich überlegte, daß ich Zeuge eines doch recht seltenen Ereignisses geworden war — ich meine, wer entdeckt schon vierzig Meilen vor London einen arabischen Sklavinnen-Markt?
    Als sie mich gewahrte, wurden ihre leuchtend blauen Augen vorübergehend noch etwas größer, doch dann lächelte sie bereitwillig.
    »Sie sind wahrscheinlich der sportlichere des Trios ?« Ihre Stimme war angenehm moduliert, der englische Akzent wohltuend und nicht aufdringlich. »Und hatten wohl nicht die Geduld, mit den anderen beiden zu warten, bis das Boot ankam ?«
    »Hä ?« sagte ich markant.
    »Wie war das Wasser ?«
    »Hä!« Ich schluckte. »Naß und kalt.«
    »Ich bin Pamela Truscott .«
    »Larry Baker«, murmelte ich.
    »Na?« Sie zuckte mit den satinglatten Schultern und nagte eine Weile an der vollen Unterlippe, ehe ihr die nächste passende Bemerkung einfiel. »Willkommen auf Bracken’s Folly !«
    »So heißt das Haus ?«
    Sie nickte. »Jedenfalls hier in der Gegend.«
    »Warum?«
    »Die Ortsansässigen behaupten, auf der Insel liege ein Fluch; irgendein gräßlicher Dämon hätte vor Jahrhunderten davon Besitz ergriffen. Kein Mensch wagte es lange Zeit, auch nur den Fuß auf die Insel zu setzen, heißt es, geschweige denn, darauf zu wohnen .« Ihre Stimme klang amüsiert. »Und dann kam Bracken! Ein Mann, der sich einen Dreck um den Fluch scherte, die Insel kaufte und dieses Haus hier baute.«
    »Und wenn er nicht gestorben ist...«
    »Aber klar doch !« Sie kicherte. »Drei Wochen nach dem Einzug verschwand er auf unerklärliche Weise. Ein paar Tage später fand man seine Leiche im Moor — mit aufgeschlitzter Kehle .«
    »Uff! « grunzte ich.
    »Natürlich waren die Einheimischen davon überzeugt, daß ihr Dämon dem armen Bracken den Rest gegeben hatte«, erzählte sie vergnügt. »Aber das Gericht erkannte auf Mord durch einen oder mehrere Unbekannte. Was bei der Verhandlung zu Tage kam, ließ nicht unbedingt darauf schließen, daß Bracken das Leben eines Heiligen geführt hatte; er hatte sich eine Menge Feinde gemacht .« Plötzlich hielt sie inne und starrte mich ängstlich an. »Stimmt etwas nicht, Mr. Baker? Sie sind auf einmal so blaß ?«
    »Wie lange ist das jetzt her, seit Brackens Leiche gefunden wurde ?« fragte ich mit dicker Zunge.
    »Genau weiß ich das nicht .« Das Schulterzucken war ausgesprochen sanft. »Vielleicht zwei, drei Jahre.« Nun lächelte sie beruhigend. »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Mr. Baker. Seit nun achtzehn Monaten wohne ich hier und leiste Miss Lambert jeden Tag Gesellschaft, und keinem von uns ist in dieser Zeit das Geringste zugestoßen. Das aufregendste Ereignis, das wir verzeichnen konnten, war der erste Kuckucksruf im Frühling !«

3

    Ich nahm einen zweiten Schluck von dem Wodka-Martini, den Boris vorausschauend mit aufs Zimmer gebracht hatte, und dann konzentrierte ich mich
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