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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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Weiterflug damit, dass er, auf einem Hydrokulturkasten sitzend, die noch verbleibende Lebensspanne der vorüberhastenden Banker und Geschäftsleute errechnete. Es kam ein Durchschnittswert von 22 oder so heraus. Die Rosenmacher fiel ihm plötzlich wieder ein. Scheiße. Aber von hier aus konnte er nichts mehr machen. Er hatte nicht mal Kleingeld zum Telefonieren. Und zum Betteln war er nicht geschaffen.
    Es ging weiter. Stotternd und röchelnd und Schadstoffe absprühend über die Karibik runter nach Kolumbien. Der Yuppie mit seinen hohlen Augen und dem leeren, unreflektierten Habitus eines Geldanbeters baggerte öde an der Blonden herum und wurde ärgerlicherweise nicht einmal auf die Ränge verwiesen. Sie fütterte ihn vielmehr mit Fisch.
    Ansonsten bot der Clipper von Avianca wenig Neues außer dem Anblick von Smog von oben, einer niederländisch untertitelten Fassung von Hec Babencos verhunztem Ironweed und gelbem Kaffee. Das blinde graue Blau des Atlantik, in dessen unermesslichen Tiefen die Natur Fehlschläge wie den Pelikanaal Saccopharynx lavenbergi verwahrte, erinnerte den jungen Mann irgendwie an das plattgewalzte Wrack eines BMW, das er mal auf einer Autobahn liegen gesehen hatte, schwimmend in der roten Korona, die noch Minuten vorher vier junge, lachende Menschen gewesen waren.
    Er saß ziemlich weit vorne und versuchte mit wachsender, manischer Verzweiflung, sich einen Plan zurechtzulegen für Barranquilla. Er rezitierte Rimbaud, um das Aufwallen des Nervenfiebers, die sanften Treuebekundungen seiner verdammten hochmodischen Narkolepsie abzuschütteln. Er dachte an die erste Liebesnacht mit Widder/Aries, sie im Fleisch der dreißigjährigen Faye Dunaway, er im Taumel, Druckrausch, Whiteout. Der Pakt, mit Proben all seiner Körperflüssigkeiten unterzeichnet. Der schreckliche, widerwärtige, aber glücklicherweise rasch vergehende Zuneigungsschmerz. Bewunderung und Ehrfurcht für NuNdUuN, der-die-Hirnräder-dreht-und-zählt. Den Herrn im Reiche Wiedenfließ.
    Bogotá war kurz und schmerzlos und fast so warm wie Frankfurt. Das Dreirad lauerte schon grinsend. Der Yuppie trieb die Blonde schwatzend vor sich her. Der letzte Flug ging ruckartig über Urwälder und Sümpfe. Aus der fruchtbaren äquatorialen Ursuppe, dem biologischen Vaginalschleim der Großen Mutter, tentakelten blinde Passagiere astral – paranoid – nach unsrem jungen Mann.
    Abwärts. Zeitverschiebung schlägt erst jetzt: sechs Stunden nach vorn. Das albatrosbreite Aufsteigen des Magens in den Mund und darüber hinaus. Eine dunkle Flugbegleiterin, mit gebreiteten Nüstern angewidert lächelnd, hilft ihm freundlich plaudernd beim Abwischen. Auf-Setzen.
    Der Name der blonden jungen Frau ist Diana Frahm. Sie ist nach Barranquilla gekommen, weil sie positiv ist. Sie ist positiv, weil der kolumbianische Austauschstudentenkumpel ihrer Freundin Sylvie ihr im Schlafzimmer einer langweiligen Laberparty seinen aidsverseuchten Schwanz in die Möse gesteckt und schon nach drei Stößen seine todbringende Säure in sie reingepumpt hat, bevor sie überhaupt eine Chance hatte, zur Besinnung zu kommen.
    Einer, ein alter Mann mit einem konkaven Gesicht, sieht nach oben, reißt sich den Kittel vom Leib und bedeckt schreiend sein Gesicht damit. Als die fette Louisa und der Zwiebelpfleger Guillermo ihn packen und mit Gummischläuchen peitschen und ihn anschreien, was denn los sei, flennt er, dass der kindische Engel herabgekommen ist, um auf sie alle draufzukotzen.
    Barranquilla. Auch: die Perle am Rio Magdalena. Auch: Kolumbiens größter Hafen. Auch: Heimat von einer Million Menschen. Auch: La Ciudad Loca, die verrückte Stadt. Auch: Ciudad Mugre, die Stadt des Mülls und der Fliegen. Auch Karneval. Auch Carne-Wahl. Auch Schauplatz einer Manifestation, eines Prognosticons. Austragungsort eines merkwürdigen und geheim zu haltenden Spiels. Auch hier und jetzt.
    Eine andere, deren Netzhäute bereits gegen gute amerikanische Dollars heruntergeschnitten wurden, strauchelt plötzlich auf ihrem vertrauten Weg zum Fäkalien-Sammeltrog, zeigt mit bleichem Arm in Richtung der Sümpfe hinter den Mauern und sagt in makellosem Deutsch die Worte: »Da rührt sich etwas, etwas lebt.« Sie hat diese Sprache nie gelernt, und auch keiner der anderen im Trog, sodass sie unerhört verstummt.
    Der Name
    des jungen Mannes
    ist Hiob,
    Hiob Montag.
    Er ist nach Barranquilla gekommen,
    um das Monster
    abzutreiben.

b) Ciudad mugre
    Wenn es wahr ist, dass eine psychatrische Anstalt
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