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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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wie ein trubelnder Zirkus ist, den man tief begraben hat, um vor ihm sicher zu sein, dann hütet euch vor dem Mann mit dem Spaten.
    (Facundo)
    Der überwältigendste Eindruck, den all das hysterische Treiben in den Straßen der expandierten Hafenstadt vermittelte, war der, dass es unter den Menschen dieser Welt keine aufrichtigen, uneigennützigen Gefühle, keine Liebe mehr gab, was der Wahrheit näher kommt als so manches andere – vorausgesetzt, Hiob Montags Theorien sind richtig, und es gibt überhaupt eine Wahrheit.
    In seine Einzelteile zerlegt war der Karneval von Barranquilla ein schlechter Trip aus gnadenlos kommerzieller Stimmungs-Samba, schmerzhaft bunten Kostümchen und Konfetti, Zellulitis-Titten, sich lächerlich machenden herumspringenden geilen alten Böcken, forcierter Fröhlichkeit, Drogenkonsum, Alkoholverschüttungen, gelangweilter und vulgärer Durchbrechung biologischer und ethischer Tabus, dissonantem Getanze und Gesinge, wahnwitziger Verschwendung von anderweitig dringend benötigten Geldern, Stakkato-Hupen, auseinanderbrechenden Umzugswagen, lobotomierten Touristen, deplatzierten Körperausscheidungen, gebrochenen Versprechen, wild entschlossener Ignoranz, gnadenloser Veröffentlichung, Sündenbockspringen, kulinarischem Junkie-Habitus, Sehenswürdigkeitenentwürdigung, labyrinthischem Auseinanderentwickeln und Verzweigen von Zueinandersuchenden, katalysierender Hitze und Feuchtigkeit, perspirationsverregneter Gewalt, Hybris, Krankheitsaustreibung und -durchdringung, karibischem Azur, Wegwerfmaterial, koitalem Kryptizismus, stufenloser Beschleunigung und desillusionierender Gesamtquerschnittslähmung. Damit bot er schon wieder ein interessantes metaphorisches Spektrum der Verhaltensmuster der bisherigen menschlichen Phylogenese, und Diana Frahm konnte in ihm wie in einem gigantischen hedonistischen Rettungsboot unter- und aufgehen, während Hiob Montag, der seinen Fixpunkt in der Welt dadurch gesichert hatte, dass er mit einer Art Satan um eine Art Seele einer Art Gott spielte, durch dieses Kaleidoskop stolperte wie ein Dürstender in der Wüste, der die ideelle Natur seines Zieles kennt, nicht aber dessen konkreten Ort und Beschaffenheit.
    Wenn dies alles hier eine neue Edition des Buches Hiob werden soll, ein Buch, das diesmal nicht von Ergebenheit und Leidensfähigkeit und Beugung vor etablierten Machtprinzipien, sondern von Wut und Aufbegehren handelt, dann ist dies ein guter Punkt, um den Widerhaken einzuschlagen. Hiob Montag in Barranquilla, in den Stunden, bevor er die Irrenanstalt Término Venturoso – Glückhafter Ausgang – in den Hügeln Richtung Ciénaga entdeckt und den Sumpf und den Müllpfuhl dahinter. Und da Hiobs Geschichte in dieser Stadt, in dieser Noch-Eröffnungs-Phase seines Spiels, eng mit dem Schicksal der verzweifelten Todeshure Diana verbunden ist, beginnen wir bei ihr.
    Sie ist seit fast drei Stunden hier, drei Stunden seit Corfisso – dem Flughafen –, und dies ist Freier 12. Freier 12 hat bereits AIDS, und er weiß es auch, aber sie weiß es nicht und ahnt deshalb auch nicht, dass ihr schmerzvolles Schuften umsonst ist. Sie spürte, wie die zarten Innenwände ihres Mastdarms blutige Haarrisse bekamen. Sie konnte diesen Prozess sogar sehen: Wie bei einer glatten, spiegelnden Computergraphik konnte sie hellrot die Risse in ihrem Inneren sich ausbreiten sehen, Risse, die bald ihren ganzen Körper durchziehen würden wie den einer uralten Porzellanfigur. Das schmerzverzerrte Gesicht gegen die hochmütig kühle und feuchte Wellblechwand gepresst, hörte sie Frau Doktor Annemarie Schult vom Gesundheitsamt Kreuzberg wie ein Springteufelchen aus einem klaffenden Sarg schnellen und mit überarbeiteter, vorwurfsvoller Stimme sagen: »Hören Sie Fräulein Frahm dass Sie HIV-positiv sind bedeutet ja noch nicht dass die Krankheit AIDS bei Ihnen wirklich ausbricht Es gibt Menschen die schon seit Jahrzehnten mit dem Virus leben und kerngesund sind Das Einzige worauf Sie jetzt halt achten müssen ist dass Sie jetzt leider eine Überträgerin sind und dass Sie deshalb Ihr Verhalten ganz besonders Ihr Sexualverhalten in Zukunft dahingehend verändern müssen.« – »Genau das habe ich getan!«, keuchte Diana, während der bullige, nach Rum und Rülpsschleim stinkende Analfetischist hinter ihr sie mehr und mehr zerfetzte und ihre Achselhöhlen sich mit einer schmierigen Salzlauge füllten. Sie erinnerte sich an die kläglichen und nicht einmal ansatzweise Lust erzeugenden drei
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