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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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das von oben die Treppen herabpolternde Kindergerenne und -gekreische die Rosenmacher-Wohnung passierte.
    Es war klamm im Flur, fensterlos dunkel, irgendwie abgestanden und verbraucht, und irgendwie war da auch ein seltsames, bittersüßes Aroma. Der junge Mann tastete sich an einem nächtlichen Goldrahmenspiegel vorbei bis zur frontalen Hauptzimmertür und drückte sie gegen einen zähen Widerstand hin auf. Hier, im bürgerlich biederen und um den gängigen Seifenopernaltar herumdrapierten Wohnzimmer einer mindestens siebzig Jahre alten, allein lebenden Frau, die der junge Mann ab und zu im Treppenhaus sah, um ihr beim Wuchten von flaschenklirrenden Einkaufstüten oder beim Passieren der schwergängigen Quergebäudetür zu helfen, wollte er fleddern und schlitzen, bis er die greisen Ersparnisse gefunden hatte, die seiner Meinung nach jedes alte Weib irgendwo verborgen hielt, um beim mürrischen Hinunterfahren in der Kiste entweder vorher gleichgültigen Enkeln, irgendeiner dubiosen Wohlfahrtsorganisation oder einer an Fellausfall leidenden sterilisierten Hündin ein letztes Trinkgeld vermachen zu können. Womit der junge Mann nun wirklich nicht gerechnet hatte, war, dass Ilse Rosenmacher hinter der Tür auf dem hässlichen Woolworthteppich lag, nackt, halb wahnsinnig vor Hunger, Durst und Entkräftung und mit einem aus der Hüfte gesprungenen gebrochenen Bein.
    Das Rambomesser in der Hand, ließ der junge Mann sich ächzend auf einen schmatzenden hellbraunen Ledersessel fallen und starrte auf das schrumpelige und schlaffe, vulgär ausgebreitete Bündel Greisenfleisch zu seinen Füßen, das sich jetzt, schmerzhaft zur Seite geschabt durch die geöffnete Tür, mit saugenden Atemzügen wieder zu rühren begann. Die Parallelen zur Hybridenkatze aus dem Wiedenfließ nervten ihn.
    »Frau Rosenmacher – wo haben Sie Ihr Geld versteckt?«
    »Um Gottes willen ... helfen Sie mir bitte ... ich halte das nicht mehr ... Wasser ... bitte, Herr Meinrad ... bitte ...«
    »Je schneller Sie mir verraten, wo das Geld ist, desto schneller gebe ich Ihnen etwas zu trinken und desto schneller rufe ich einen Notarzt, das verspreche ich Ihnen.«
    Frau Rosenmacher schloss mit feist werdenden Wangen wie ein Baby die Augen, und für einen Augenblick fürchtete der junge Mann, dass ihm das alte Mädchen aus reiner Scham wegsterben würde. Also rannte er in die fertiggerichtplastikdominierte Küche, pumpte ranziges Wasser aus dem wackligen Hahn in ein bereits benutztes Glas und flößte es halb der Rosenmacher, halb dem Teppich ein, der in seinem Dasein schon ganz anderes aufgesaugt hatte und Kummer gewöhnt schien.
    Die Rosenmacher gluckste dröhnend, und ihr loses Bein verlagerte sich haltlos ein wenig auf dem Teppich.
    »Sie müssen mir helfen, Herr Meinrad«, schnurrte sie mit nassem Mund.
    Der junge Mann setzte sich wieder auf den leicht zurückruckenden Sessel und klatschte grinsend die Hände auf die Schenkel. »Tja, wenn ich’s nicht tue, tut es keiner, und man wird Sie in zwei oder drei Monaten als eingesunkenen Madenbrutkasten finden, Ma’am. Sehen Sie’s also als großes Glück an, dass ich hier bin. Wo ist der verdammte Zaster, hm?«
    Ihr Atem rasselte, der untere Teil ihres fettfaltigen Bauches hustete. »Ihr Name ist gar nicht Meinrad, nicht?«, ächzte sie mit geschlossenen Augen.
    »Und wenn schon. Das hier ist kein Fernsehquiz. Sie kriegen keine Punkte.«
    »Ich ... hab mir schon lange gedacht, dass mit Ihnen was nicht stimmt. Die seltsamen Geräusche mitten in der Nacht ... und das rötlich flackernde Licht auf dem Hof. Sie sind kein Student oder so. Was sind Sie?«
    »Was ich bin? Wollen Sie vor Schreck sterben, Oma? Hören Sie mir ...«
    »Sie sind Kabbala, nicht wahr? Hab ich doch immer richtig vermutet – Sie sind Kabbala ...«
    »Hören Sie: Ich kann natürlich auch die ganze schäbige Wohnung hier auseinandernehmen, Splitter für Splitter. Ich habe sehr viel Zeit. Die Frage ist, ob Sie noch so viel Zeit haben.«
    Die Rosenmacher machte mit der zittrigen Linken Gesten über dem Boden, die der junge Mann stirnrunzelnd und schließlich amüsiert als kabbalistische Abwehrzeichen erkannte. Er seufzte.
    »Okay, okay, Ma’am. Bevor Sie sich da in irgendetwas reinsteigern, was jetzt vielleicht zu viel für Sie sein könnte: Ich bin eher affa .«
    » Affa! «, wiederholte die alte Frau, und ein Schaudern lief durch ihren entkräfteten Körper. »Aber wie kann jemand ... engelsgleich sein, der einbricht und stiehlt?«
    Der
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