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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder
Autoren: Rebecca Gablé
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Monseigneur?«, fragte er Eustache. »Eure Geisel ist wertlos, denn mir ist es gleich, wenn ihr sie tötet. Ein Wort, und zwanzig meiner Männer stürmen diese Halle. Wenn Ihr die Kunst der Politik beherrscht, wie Ihr behauptet, wird es Zeit, Euch Eure Niederlage einzugestehen.«
    Eustache lachte leise. »Meine Geisel ist wertlos?«, wiederholte er. »Nun, dann war es ja klug von mir, gleich eine zweite zu nehmen, nicht wahr?« Er stieß Susanna zur Seite, und sie landete hart auf dem strohbedeckten Holzboden.
    Alan setzte sich in Bewegung, aber lange bevor er die Tafel erreichte, hatte Eustache sich herabgebeugt und hob etwas vom Boden auf. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er ein kleines Mädchen von hinten an den Armen gepackt und stellte es vor sich auf den Tisch.
    Alan blieb stehen, als seien seine Füße plötzlich am Boden festgenagelt. Das Kind mochte vier Jahre alt sein, und es war Haimons Ebenbild. Die kleinen Hände und Füße waren zusammengebunden, ein Knebel steckte in seinem Mund. Die dunklen Augen waren weit aufgerissen, starrten Alan direkt an, und ihr Ausdruck schien sämtliche Luft aus seinen Lungen zu pressen. Furcht stand in den Augen und diese staunende Verwirrung, die ihm von Oswald so vertraut war.
    Alan ließ das blutverschmierte Schwert ins Stroh fallen.
    »Ah«, machte Eustache zufrieden. »Es scheint, meine Lage ist doch nicht so aussichtslos, wie wir beide eben noch dachten.«
    »Was wollt Ihr? Freien Abzug?«
    Über den Kopf des kleinen Mädchens hinweg sah der Prinz ihn an, die schmalen, rötlichen Brauen wie vor Verblüffung gehoben. »Ich fürchte, freier Abzug wird nicht ganz ausreichen, Alan of Helmsby. Ich will Rache für den Krieg, den Ihr gegen meinen Vater geführt habt und der mich meine Krone gekostet hat.«
    »Dann lasst das Kind los und nehmt Euer Schwert in die Hand«, schlug Alan vor.
    »Wieso sollte ich das tun? Warum sollte ich Euch diese Ehre erweisen, nachdem Ihr mich und meinen Vater so unaussprechlich gedemütigt habt? Legt die Waffen und die Rüstung ab. Na los.«
    Alan rührte sich nicht.
    Mit einem einzigen Ruck riss Eustache dem kleinen Mädchen den Kittel vom Leib. Eigentümlich langsam sah es an sich hinab, erkannte voller Schrecken seine Nacktheit, kniff die Augen zu und fing an zu weinen.
    »Ich habe mir sagen lassen, das sei der einzige Anblick auf der Welt, der Euch erschüttern könne«, knurrte der Prinz. »Versteht Ihr mich jetzt?«
    »Mylord?«, kam Athelstans Stimme von der Tür. »Was zum Henker ist hier …«
    Alans Atem ging stoßweise, und sein Blickfeld hatte eine rötliche Tönung angenommen. Es erforderte eine enorme Willensanstrengung, den Blick von dem Kind abzuwenden und auf Eustache zu richten. Ohne sich umzuwenden, sagte er: »Komm her, Athelstan. Hilf mir aus der Rüstung. Alle anderen bleiben draußen.«
    »Aber Mylord …«
    »Komm schon«, herrschte Alan ihn an.
    Sein junger Vetter trat vor ihn, sah von ihm zu Eustache und wieder zurück, und seine Miene wurde grimmig. Dann nahm er den Helm aus Alans Händen entgegen und ließ ihn ins Stroh fallen. Wortlos streckte Alan die Arme nach oben, und Athelstan umfasste den unteren Rand des Ringelpanzers und zog ihn ihm über den Kopf.
    Alan zückte den Dolch aus der Scheide am Gürtel und gab ihn ihm. »Jetzt nimm Lady Susanna und geh.«
    Sie war aufgestanden und trat einen unsicheren Schritt auf ihn zu. »Alan … was hast du vor?« Es klang untypisch dünn.
    Der rote Schleier vor seinen Augen hatte sich nicht gelichtet. Alan war es, als habe dieser seltsame rote Nebel sich auch über seinen Geist gelegt, zähflüssig wie Brei. Der Anblick des Kindes und alles, was er mit sich brachte, lähmte seine Sinne. Selbst seine Zunge kam ihm schwer vor. Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er für Susanna hatte.
    »Jetzt komm her«, befahl Eustache.
    Alan setzte sich in Bewegung.
    »Mylord«, protestierte Athelstan.
    »Alan, tu das nicht«, bat Susanna heiser.
    Langsam wandte er den Kopf und sah sie an. »Willst du deine Tochter behalten und vor dem retten, was er vorhat? Oder ist sie wertlos, Susanna?«
    Sie schüttelte den Kopf, sah zu ihrem Kind, dann wieder zu ihm und fing an zu weinen. Beschämt wandte sie sich ab und schlug die Hände vors Gesicht. »Sie ist … mein Ein und Alles«, bekannte sie tonlos.
    »Dann geh. Athelstan bringt sie dir zurück.«
    »Alan … Ich will nicht, dass du das für mich tust.«
    Er hörte kaum hin, sondern ging weiter auf Eustache zu. Beinah
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