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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder
Autoren: Rebecca Gablé
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zerstreut gab er zurück: »Sei unbesorgt. Ich tu es nicht für dich. Jetzt verschwinde endlich.«
    Athelstan nahm sie zaghaft am Arm und brachte sie zur Tür.
    Alan war vor dem Prinzen angekommen und sah ihm ins Gesicht.
    Eustache lächelte wieder. »Knie dich hin, sei so gut.«
    Ich sterbe wie Regy, dachte Alan fassungslos und kniete sich ins Stroh. »Schwöre mir, dass du sie ihrer Mutter zurückgibst. Unversehrt.«
    Eustache nickte feierlich, ließ das Kind los und zog sein Schwert. »Ich schwöre bei den Gebeinen des heiligen Königs Edmund«, höhnte er und hob die Waffe mit beiden Händen über die linke Schulter. Dann gab er ein eigentümliches Stöhnen von sich, und als Alan den Kopf hob, sah er die blutverschmierte Spitze eines Jagdmessers aus der Brust des Prinzen ragen.
    »Oh nein, du Unhold«, knurrte King Edmund. »Das wirst du nicht tun.«
    Alan sah den Blick der grausamen, stahlblauen Augen brechen, und als Edmund den Griff seines Messers losließ, sank der tote Prinz ins Stroh.
    Alan kam auf die Füße. Unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen, wich er kopfschüttelnd vor dem Heiligen mit den blutigen Händen zurück.
    Edmund schien ihn kaum zu bemerken; er wirkte seltsam entrückt. Er hob ein Büschel reines Stroh vom Boden auf und säuberte sich damit sorgsam die Hände, ehe er das weinende kleine Mädchen von seinen Fesseln und dem Knebel befreite und ihm seinen Kittel wieder überstreifte. Dann nahm er es auf den Arm und wiegte es. »Schsch. Alles ist gut, Marie. Hab keine Angst mehr. Komm, lass uns schauen, wo deine liebe Mutter steckt …«
    Alan schüttelte immer noch den Kopf, um ihn endlich wieder klar zu bekommen. Sein Blick fiel auf den Prinzen, der auf der Seite gelandet war. Als Alan das Messer erkannte, welches das Herz durchbohrt hatte, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. »Woher hast du diese Klinge?«, rief er Edmund nach.
    Der hagere Angelsachse wandte sich um. »Es ist das Jagdmesser, das du auf der Insel gefunden hast.«
    »Das seh ich selbst. Aber woher hast du es?«
    Edmund hob die Schultern – er war die Ruhe selbst. »Es lag immer unbenutzt in deiner Truhe. Ich habe mir erlaubt, es zu borgen.«
    »Und wie kommst du hierher? Wie kannst du an diesem Ende der Halle auftauchen, wenn du nicht durch den Eingang gekommen bist? Hast du ein Wunder gewirkt, King Edmund?«
    » Gott wirkt Wunder, wie oft muss ich dir das sagen, eh du es lernst? Aber nicht in diesem Fall. Dieser Donjon hat eine Treppe im Eckturm, genau wie deiner. Wozu sollte Gott also ein Wunder wirken, wo ich doch einfach die Tür nehmen konnte?« Er zeigte mit dem Finger auf den schmalen Durchlass in der hinteren Ecke der Halle, den Alan bislang nicht gesehen hatte, weil er im Schatten lag.
    Trotzdem, dachte Alan argwöhnisch. Irgendetwas stimmt hier nicht. Er sah auf Eustache hinab und murmelte: »Du hättest lieber auf etwas anderes schwören sollen. Dann stündest du jetzt hier und ich läge da.«
    Es hatte aufgehört zu regnen, als der Karren, der den toten Prinzen zu seinem Vater zurückbringen sollte, aus dem Burgtor zockelte. Sechs von Eustaches Rittern und Knappen waren noch übrig. Alan hatte keinen Sinn darin gesehen, sie gefangen zu nehmen oder zu töten, darum bildeten sie die Eskorte.
    Alan und Edmund sahen dem traurigen kleinen Zug nach.
    »Bitter für den alten König«, bemerkte Alan.
    »Oh ja«, stimmte King Edmund zu – vorbehaltlos, aber ohne Reue. »Erinnere ich mich recht, dass er noch einen Sohn hat?«
    Alan nickte. »William. Ein sanftmütiges Geschöpf. Es hieß sogar einmal, er wäre gern Mönch geworden, nur hat sein Vater es verboten.« Er zuckte die Schultern. »Jedenfalls ist er kein Krieger wie Eustache. Henry wird ihn großzügig mit Ländereien ausstatten, und William wird sich erleichtert in die Normandie zurückziehen, schätze ich.«
    »Also ist der Krieg vorbei?«, fragte Edmund.
    Alan legte ihm für einen Moment die Hand auf die Schulter. »Der Krieg ist vorbei.«
    »Dann lass uns Gott danken.«
    »Das werden wir. Aber lass es uns in der Kirche von Helmsby tun. Ich will so schnell wie möglich aus Fenwick verschwinden.« Und er wollte nach Hause. Er wollte zu seiner Frau, wollte sie am helllichten Tage verführen, sie mit nichts als dem Bändchen am Fußknöchel bekleidet sehen und hinter geschlossenen Bettvorhängen mit ihr feiern, dass er noch lebte.
    Edmund kehrte dem Torhaus den Rücken und wandte sich Alan zu. »Ich werde nicht mit nach Helmsby zurückkehren,
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