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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt
Autoren: Garry Disher
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wir Briefe schreiben müssen, Gesuche und so, hilfst du uns dabei?«
    »Offizielle Schreiben?«
    Lauris nickte. »Man muss die richtigen Worte finden und die kennen wir nicht. Ein Wörterbuch bringt da nicht viel.«
    »Mal sehen, was sich machen lässt«, sagte Anna.
    »Eine Hand wäscht die andere«, meinte Lauris.
    Anna sah Blaze und Lauris an.
    »Mir wurde bereits Hilfe angeboten.«
    »Ich wette, von Van Fleet«, sagte Blaze.
    Anna nickte.
    »Wenn du dich mit Van Fleet einlässt, bis du geliefert, finito«, sagte Lauris und fuhr mit der flachen Hand durch die Luft, als wollte sie sie zerschneiden.
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll sich verpissen.«
    Blaze kicherte. »Dumm gelaufen. Den Rest des Jahres wirst du Latrinen schrubben.«
    »Bleibt immer noch die Möglichkeit, auszubrechen«, meinte Anna leichthin.
    Schweigen. Schließlich sagte Blaze: »Für dich vielleicht. Du kannst dich draußen durchschlagen. Wir nicht. Wo sollten wir hin?«
    Anna sah sie überrascht an. Lauris ließ sie nicht aus den Augen. Sie war wie Wyatt, ein Gedankenspürhund. Unvermittelt sagte sie: »Wir helfen dir, hier drin zu überleben.«
    »Überleben«, wiederholte Anna matt.
    »So wie du aussiehst, bist du Ware für den Fleischmarkt.« Lauris streckte die Hand nach ihr aus und Anna zwang sich, still zu halten. Sie spürte, wie Lauris’ Finger sanft an ihren Haaren zupften. »Das muss ab.«
    Blaze kicherte wieder. »Als Tusse überlebst du hier drinnen keine fünf Minuten.«
    »Ich bin hier die Friseurin. Mach gerade meinen Meister«, grinste Lauris.
    Anna überdachte ihre Lage. Sie war auf der Hut; mit diesen Frauen war nicht zu spaßen, aber sie waren auch potentielle Verbündete. Mit einem kurzen, zögerlichen Nicken willigte sie ein.
    Blaze und Evie begleiteten sie am nächsten Morgen zum Friseursalon. Lauris arbeitete tatsächlich dort, zusammen mit einer anderen Frau, zwischen neun und zehn Uhr morgens. Anna hörte das Klappern der Schere, sah ihre Haare büschelweise zu Boden fallen, bis die Verwandlung perfekt war.
    Im Gegenzug formulierte sie Anschreiben und Briefe, beriet auch in juristischen Angelegenheiten. Sie half auch auf andere Weise. Wo immer sie auftauchte, war eine der drei Frauen bei ihr. Es war nicht als Drohung zu verstehen, sondern als Botschaft: Anna Reid ist eine von uns.
    Es half ihr nicht immer. Am Donnerstag stand sie mit Evie zum Essen an. Von einer Gruppe von Insassinnen wurde Evie mit den Worten angerempelt »Was willst ’n hier, Affenfresse?«, nur um zu testen, wie Anna reagierte. Die Anführerin der Truppe war eine hochgewachsene Frau, eine ehemalige Leichtathletin, die sich Petra nannte. Man hatte Petra wegen Handels mit Anabolika drangekriegt. Mit Vorliebe trug sie ein enges Sprinterhöschen und ihr wasserstoffgebleichtes Haar fiel in großzügigen Wellen bis auf die Schultern. Anna ignorierte den Rest der Truppe und konzentrierte sich auf sie. Breit grinsend streckte sie ihr die rechte Hand entgegen. Petra brachte das für einen Moment aus dem Konzept. Bei dem Gedanken, Anna jetzt die Hand schütteln zu müssen, runzelte sie die Stirn. Annas Attacke war wie aus dem Bilderbuch. Ihre rechte Schulter ging in Petras Richtung, gleichzeitig duckte sie sich, vollführte eine leichte Drehung und schlang den linken Arm um Petras Taille.
    Wäre Petra etwas kleiner gewesen, hätte der Trick wahrscheinlich funktioniert. So aber stolperte Anna und ging zu Boden. Petras Gefolgschaft bildete sofort einen Kreis um Anna und bearbeitete sie mit den Füßen. Ein paar Aufseherinnen unterbrachen das Ganze ziemlich schnell, doch Anna hatte einiges einstecken müssen. Noch Stunden später fühlte sie Petras Speichel auf ihrer Wange und hörte sie zischen: »Du bist Geschichte, Alte.«
    Sie blieb in ihrer Zelle. Lauris, Blaze und Evie spendierten ihr zwar einige Ratschläge, aber keinen Trost. »Immerhin hast du nicht gekniffen, das ist die Hauptsache. Du kriegst deine Revanche.«
    Am Freitag kam eine Aufseherin auf sie zu und sagte: »Sie haben Besuch.«
    Anna war in Brisbane aufgewachsen, nur gab es aus dieser Zeit niemanden, den sie hätte sehen mögen. Doch die Neugier trieb sie hin. Ein Journalist? Ein Pflichtverteidiger?
    Der Besucher, der sie dann erwartete, war Wyatt, verkleidet als Priester. Der Blick, den er ihr zuwarf, war nicht der eines Killers, sondern der eines Mannes, der versprach, »Ich bin gekommen, dich zu retten«.

    VIERZIG

    »Ich hab dich nicht gelinkt«, hörte Wyatt sie leise sagen.
    »Ich
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