Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinterhalt

Titel: Hinterhalt
Autoren: Garry Disher
Vom Netzwerk:
weiß.«
    Sie saßen sich gegenüber, sie mit geröteten Wangen und strahlenden Augen. Anna blühte auf, als wäre Wyatt ihr Erlöser.
    »Stolle?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Bist du dir sicher?«
    Wyatt erzählte ihr von Mostyn. »Stolle ist mit der Kohle abgehauen.«
    »Die Cops haben Fotos. Stolle muss uns die ganze Zeit beobachtet haben. Er hat das Umladen als Schwachstelle erkannt und uns dann ans Messer geliefert.«
    Wyatt erstarrte. Fotos. »Was für Aufnahmen sind das?«
    Er bemerkte, wie Annas Blick den Besucherraum nach unerwünschten Zuhörern durchforstete. Ein Dutzend kleinerer Tische samt Stühlen, einige Sessel, an den Wänden Poster mit Regenwaldmotiven. Ganz in ihrer Nähe zwei Aufseherinnen, die mit ein paar Besuchern und Insassinnen herumalberten. Stühlerücken, Gelächter, Kinder, die umherrannten. Er war der einzige Mann, doch in seiner Soutane warf ihm niemand einen zweiten Blick zu, geschweige dass sie jemand belauschte.
    Anna berührte seinen Arm. »Sei beruhigt, sie haben keine Ahnung, wer du bist und die Aufnahmen sind ziemlich unscharf. Natürlich haben die Bullen ein Interesse an dir. Sie wissen genau, dass Phelps und Riding die Sache nicht allein geplant haben können.«
    Wyatt starrte auf ihre Hand und dachte an ihre bloße Haut, samtweich und schimmernd. Dann sah er hoch. Unter ihrem übergroßen T-Shirt verlor sich jede Kontur. Es war von einem verwaschenen Schwarz und an einigen Stellen aufgerissen. Die weite, ausgeblichene Trainingshose tat ihr Übriges. Anna hatte etwas mit ihren Haaren gemacht — oder machen lassen müssen. Ein Bürstenschnitt, die Seiten ausrasiert, und einige lange Strähnen mit eingeflochtenen Bändern, die ihr über die Schultern hingen. Ein strammer Knast-Look, der sie auf eine eiskalte Art sexy machte.
    »Was hast du ihnen gesagt?«
    Sie zog die Hand zurück und über ihrer Nasenwurzel zeigten sich zwei tiefe Furchen. »Nichts. Ich könnte ausrasten, weil du glaubst, von mir würden die irgendwas erfahren. Deshalb bist du hier, nicht wahr? Nicht meinetwegen. Du wolltest herauskriegen, was sie über dich wissen. Du denkst, ich bin ein Risiko. Du denkst, ich würde mich auf einen Deal mit denen einlassen.«
    Wyatt schwieg zunächst. Dann sagte er: »Ich will dich hier rausholen. Kommst du im Moment einigermaßen klar?«
    »Ich hab Freunde hier.«
    Seine Augen starrten ins Leere. »Ich bin keine Knast-Pussy, falls du das denkst. Das hier — «, sie zog an ihrem T-Shirt, berührte dann ihr Haar, » — ist überlebensnotwendig hier drinnen. Mittlerweile gefällt’s mir sogar.«
    Wyatt erwiderte nichts darauf, sondern wechselte das Thema. »Was haben die Bullen über den Kerl gesagt, der uns in der Bank in die Quere gekommen ist?«
    »Sie haben mich gefragt, ob ich kokse, ob ich womöglich Gras rauche. Sein Name war Ian Lovell, ein Dealer.«
    »Er hat mit Stolle nichts zu tun. Schließlich wollte Stolle uns auf dem Campus abfangen.«
    »Ein Einzelkämpfer also?«
    Wyatt ließ das Fiasko in der Bank noch einmal Revue passieren. Er erinnerte sich an die Entschlossenheit, mit der Nurse auf Lovell geschossen hatte, immer wieder, bis sämtliche Kammern des Revolvers leer waren. Für Wyatt sah das nach einer ganz persönlichen Abrechnung aus. »Vermutlich. Ist aber auch egal.«
    »Es tut mir Leid, Wyatt.«
    Er zuckte mit dem Kopf, war irritiert. Man entschuldigt sich nicht für ein Ärgernis, das man nicht zu verantworten hat. Und für ein Ärgernis, das man zu verantworten hat, sollte es immer einen plausiblen Grund geben. »Wir müssen dich hier rausholen«, sagte er.
    Wieder diese Falten über der Nasenwurzel, dieser Ausdruck des Misstrauens gegenüber seinen Motiven. »Hoffentlich nicht, um mich dann für immer zum Schweigen zu bringen.«
    »Willst du hier alt werden?«
    Sie sah plötzlich sehr niedergeschlagen aus. Er bemerkte, wie der natürliche Schimmer ihrer Haut dem stumpfen Grau der Inhaftierten wich. Leise, mit stockender Stimme sagte sie: »Ich werde hier verkümmern und zugrunde gehen. Es ist keine staatliche Anstalt, aber das sagt gar nichts aus. Ich habe zwar Freunde hier, aber ich kann nicht vierundzwanzig Stunden am Tag auf der Hut sein.« Sie sah ihm in die Augen. »Ich halt’s hier nicht aus, Wyatt.«
    »Vorsicht. Für dich Pater Kennedy.«
    Sie sahen sich beide um. Niemand nahm Notiz von ihnen. Anna zeigte wieder einen Anflug von Humor. »Na dann eben irgendein Pfaffe.«
    Man hätte Wyatt den hochgeistigen Priester nicht abgekauft, auch nicht den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher