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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt
Autoren: Garry Disher
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ambitionierten oder den Günstling einer reichen Diözese, dazu war seine Haut zu wettergegerbt und er insgesamt eine zu raue Erscheinung. Deshalb gab er den geistlichen Gefangenenbetreuer, einen mit gebeugten Schultern, der im Gemüsegarten selbst Hand anlegt und seine Zeit den Unglücklichen widmet, mit denen andere nicht in Berührung kommen wollen. Wyatt hatte in seiner Kindheit solche Geistlichen kennen gelernt.
    Er spürte plötzlich, dass die Atmosphäre im Raum sich verändert hatte. Er sah hinüber zu einem Tisch gleich neben der Tür. Eine Frau sprach mit zwei anderen, einer Insassin und ihrer Mutter, und es war unschwer zu erkennen, dass beide sie hassten, ihre Gegenwart aber ertragen mussten. Es war ein merkwürdiges Bild; das Trio erinnerte an einen Zuhälter, der seine beiden Nutten abkassiert.
    Anna bestätigte seine Vermutung. »Oh Scheiße, die schon wieder.«
    »Wer ist sie?«
    »Sie arbeitet hier. Als ich hier angekommen bin, hat sie versucht, mich auszuquetschen. Sie ist davon überzeugt, dass ich weiß, wo das Geld ist, und möchte gern einen Anteil herauspressen. Auf ihre Art. Falls ich mehr Zigaretten möchte oder einen Walkman brauche oder Seidenunterwäsche, falls ich die Schnauze voll habe, Zwiebeln zu schälen und lieber in den Schreibdienst wechseln möchte. Falls ich Aufputschmittel brauche oder Schlaftabletten oder Gras für meine Selbstgedrehten.«
    Wyatt musterte die Frau. Sie trug ein mauvefarbenes Kostüm mit geschlitztem Rock und stark taillierter Jacke. Ein dünnes Halstuch bauschte sich um ihren Hals und auf der Nase saß eine verspielte Brille mit großen, getönten Gläsern in einem eckigen, goldgesprenkelten Gestell. Ihr dunkles, dauergewelltes Haar türmte sich zu einer Gewitterwolke. Unter all diesem albernen Firlefanz schlug jedoch ein berechnendes Herz.
    »Was hast du ihr gesagt?«
    »Ich hab ihr gesagt, sie kann mich am Arsch lecken, mit dem Ergebnis, dass ich seitdem Zwiebeln schäle und von anderen Häftlingen drangsaliert werde.«
    Die Frau sah zu ihnen hinüber, lächelte und nickte dem Priester zu.
    »Mach dich auf Ärger gefasst.«
    Wyatt sah, wie die Frau sich zwischen den Tischen hindurchschlängelte. Die anderen Häftlinge und ihre Besucherinnen senkten den Blick und hörten auf zu reden, entspannten sich erst wieder, als sie sicher sein konnten, dass die Frau jemand anderen in Beschlag nehmen wollte.
    »Anna, wie geht es dir!«
    »Hau ab«, erwiderte Anna eisig.
    »Willst du mich nicht vorstellen?«
    »Pater Kennedy«, sagte Anna knapp.
    Ein Wortschwall brach los über Wyatt. Auf ihrem Namensschild stand Lesley Van Fleet. Sie hatte Lippenstift an den Zähnen und ihr Make-up war verschmiert.
    »Anna hat sich hier gut eingewöhnt, Pater Kennedy. Sie weiß, dass ich sie immer unterstütze. In jeglicher Beziehung. Sie muss nur einen Ton sagen.«
    Zwar sah Van Fleet Wyatt an, doch ihre Worte waren für Anna bestimmt. Er spürte ihren Hang zu Intrige und Manipulation und stellte sich vor, wie ihre Wohnung mit lauter kleinen, teuren Dingen voll gestopft war, erworben mit dem Geld der Häftlinge.
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Wyatt.
    Als Van Fleet sich an einen anderen Tisch verzogen hatte, sagte er: »Das ist dein Ticket in die Freiheit.«

    EINUNDVIERZIG

    Um acht Uhr am selben Abend sagte Van Fleet: »Das wird nicht reichen.«
    Wyatt blickte sie ruhig an. Offenbar verabschiedete sie sich von ihrer Maskerade, sobald Feierabend war. Vor ihm saß eine reduzierte Version von Van Fleet, das Gesicht ungeschminkt und irgendwie schutzlos. Ein Eindruck, den ihre Plüschhausschuhe und der pinkfarbene Seidenpyjama noch verstärkten. Als Wyatt vor wenigen Minuten in ihr Wohnzimmer getreten war, hatte sie gerade eine Zigarette geraucht. Er hatte das Schloss an der Hintertür ihres Hauses geknackt und war mit gezogener Waffe durchs Haus geschlichen. Sie saß im Sessel und las ein Buch, als er sie überraschte. Die Zigarette qualmte im Aschenbecher vor sich hin, während sie sich einen Sherry genehmigte.
    »Das wird nicht annähernd reichen.«
    Nicht etwa, machen Sie, dass Sie hier rauskommen! ... Was erlauben Sie sich eigentlich! ... Nein, niemals werde ich das tun! ... oder: Ich rufe sofort die Polizei! Er hatte ihr Geld angeboten und sie wollte es bar auf die Hand. Wortlos blätterte er noch einmal fünftausend Dollar hin. Die ersten fünftausend lagen in einem Stapel druckfrischer Zwanziger und Fünfziger bereits vor ihr.
    »Ich hab gleich gerochen, dass Sie kein
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