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Hinter der Milchstraße - Roman

Hinter der Milchstraße - Roman

Titel: Hinter der Milchstraße - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Geesje, rollte die Augen und drehte dem Mann den Rücken zu.
    Sie stellte die Frage noch einem anderen Passanten, einem Mann, der keine Witze machte, jedoch leider keine Frau mit einem Hund kannte.
    Es gab aber Leute, die sofort wussten, wen wir meinten.
    Manche hatten sich sogar Namen für Jeckyll und Nancy ausgedacht, so wie wir ihnen Namen gegeben hatten. Sie sahen die beiden auch jeden Tag die Sandstraße entlanglaufen. Eine Frau sagte: »Wenn jemand einen Namen hat, gibt es ihn wirklich.« Die Leute sprachen von Schaufel oder Mopp oder von dem schiefen Hündchen. Nancy nannten sie Pantoffel oder Buckel.
    Wir sagten nicht, dass wir sie Nancy Sinatra genannt hatten, nach einer Sängerin, die wir von einer Platte kannten. Die Platte stand bei uns zu Hause in Mamas Plattensammlung. Die Sängerin sang schon sehr lange und hatte viele Lieder gemacht, auch einen Hit über Stiefel.
    Die Leute sagten, sie würden die Frau und ihren Hund als Uhr benutzen, auf dem Weg zu einer Verabredung oder wenn sie neben dem Tor der ALTEISEN KG auf den Bus warteten. Nach diesen beiden konnte man die Uhr stellen. Wenn sie Nancy und Jeckyll in der Nähe der Milchstraße sahen, wussten sie, dass es kurz vor sechs war.
    Aber woher Nancy und Jeckyll kamen, konnten sie nicht sagen.
    »Es ist ein Rätsel«, sagte Geesje. Sie schaute Bossie und mich an und zog die Augenbrauen hoch. »Ein Mysterium.«

DER FRIEDHOF
    Am Tag darauf wurde bei uns in der Pomonastraße, wo wir damals noch wohnten, an die Hintertür geklopft. Es war noch sehr früh, ich konnte es an den Vorhängen sehen, es war noch nicht richtig hell. Ich setzte mich im Bett auf und schaute, ob Bossie unter seiner Decke lag. Er lag da.
    Ich versuchte zu hören, wer dort unten war.
    In der Küche erklang Papas Stimme. Er fragte, was los sei.
    Zu meiner Überraschung war es Geesje, die antwortete. Ich hörte, wie sie sagte, das sei ein Geheimnis. Sie wollte nichts sagen, bevor Bossie und ich im Wohnzimmer waren.
    Papa raschelte mit der Zeitung und machte Uh, wie eine Eule. Dann rief er unsere Namen in Richtung Treppe.
    Ich brauchte Bossie nicht anzutreiben.
    Als wir fast unten waren, lief Geesje auf uns zu. Sie flüsterte, dass auf dem Friedhof zwei Gruben ausgehoben worden seien. Ihre Augen hätten sie nicht getrogen: Neben der großen Grube mit dem großen Berg Erde habe sie einen kleinen Berg Erde gesehen. Dort müsse noch eine kleine Grube sein.
    »Ist etwas passiert?«, fragte Papa, der über eine große Zeitungsseite gebeugt war und nicht zuhörte. Das wussten wir ziemlich sicher, weil Papa immer sagte, er könne nicht zwei Dinge gleichzeitig tun.
    »Nein, nichts.«
    Wir zogen uns an, stopften uns ein Butterbrot in den Mund, weil Papa uns nicht erlaubte, mit leerem Magen wegzugehen, und rannten hinaus auf die Straße.
    »Vorsichtig«, rief Papa uns nach und schlug eine Seite um.
    »Ja«, rief ich und sah, dass meine Schnürsenkel offen waren. Ich ließ sie offen.
    Ab und zu schauten Bossie und ich uns um, ob Geesje mit uns Schritt halten konnte. Sie drückte die Hände in die Seiten und hielt Schritt.
    Als wir am Friedhof ankamen, stand dort ein weißer Sarg bereit, und um den Sarg herum waren die Menschen sehr traurig.
    Jemand sagte, wir müssten Abschied nehmen von Herrn Geboers, und der Mann wurde als gut und geduldig beschrieben.
    In der kleinen Grube, die ausgehoben war, stand eine große Hortensie mit riesigen purpurroten Blüten.
    Bossie und ich schauten uns an und stießen langsam die Luft aus den Lungen. Die große Grube war nicht für Nancy bestimmt. Die kleine Grube war nicht für Jeckyll.
    Ich fragte Geesje, was um Himmels willen sie auf dem Friedhof gewollt hatte.
    »Gestern haben Mama und Papa und ich einen Platz für meine Tante gesucht«, antwortete sie und deutete in die andere Richtung. »Mama und Papa wollen sie dort unter die Bäume legen.«
    Ich sorgte dafür, dass Bossie keinen Witz machte. Ich sorgte dafür, dass er kein Wort über den Tod sagte. Ich nickte ihm zu und hoffte, dass er mich ohne Worte verstand. Wir ließen Geesje in Ruhe.

DIE GESCHICHTE
    Wir setzten uns in unser Clubhaus. Dort war es heiß. Der Wind rauschte durch die Bäume, die entlang der Sandstraße standen. Wir beschäftigten uns mit Nichtstun, und nichts tun war nicht dasselbe wie sich langweilen.
    Wir spielten Ich packe meinen Koffer und nehme mit . Die Sachen, die Geesje mitnahm, konnten wir besser behalten als unsere eigenen. Wir summten Lieder, deren Namen man raten musste. Wir
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