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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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Vampire, sie hat den Tod verdient.«
    Alle Teile des Puzzles rückten an ihren Platz, doch das Bild, das sie ergaben, gefiel mir nicht. »Deshalb wollten Sie mich dabei haben, nicht wahr?« Pritkin versuchte nicht, es zu leugnen. »Ich habe geschworen, die Pythia und ihre Erbin zu schützen, wenn nötig mit meinem Leben. Der Kreis glaubte, dass ich mich auf seinen Befehl hin über diesen Eid hinwegsetzen und Myra töten würde, ohne einen Beweis für ihre Schuld. Aber wenn ich mein Wort gebe, halte ich es.« Er lächelte schief. »Deshalb gebe ich es nicht oft.«
    »Sie haben mich nicht mitgenommen, um Myra an einem Zeitsprung zu hindern«, sagte ich anklagend. »Sie haben von mir erwartet, sie zu töten!« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Wir hätten über irgendetwas anderes reden können, über das Wetter oder ein Footballspiel. Es war surreal. »Ich würde es selbst tun, wenn ich könnte«, sagte Pritkin ruhig. »Aber Agnes hat recht. Nur die Pythia kann eine Eingeweihte disziplinieren.«
    »Wir reden hier nicht über Disziplin! Myra soll nicht ohne Abendessen ins Bett geschickt werden.« Ich sah Agnes an und hoffte, bei ihr Unterstützung zu finden. »Es geht um Leben und Tod!«
    Sie hob und senkte Myras schmale Schultern, und ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Myra war jahrelang von ihr ausgebildet worden, und bestimmt hatten sie sich einmal nahe gestanden, aber jetzt zeigte das Gesicht kein Bedauern. »Du hast es selbst gesagt. Ich kann sie nicht festhalten. Nicht auf Dauer.«
    »Eins steht fest«, sagte ich. »Wenn das Amt der Pythia das aus einem macht, will ich es nicht.«
    Blaue Augen sahen mich an, und plötzlich waren sie traurig. »Aber du hast es bereits.«
    Ich spürte, wie mir das Messer dort in die Hand schnitt, wo die Finger zur Klinge geglitten waren, und der Schmerz rückte plötzlich alles an den richtigen Platz. Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Wir finden einen anderen Weg.« Agnes musterte mich sanft. Es war sehr seltsam, diesen Gesichtsausdruck bei Myra zu sehen. »Es gibt keinen. Was hattest du vor? Wolltest du das Kästchen mit ihr die ganze Zeit in einer Tasche herumtragen? Früher oder später hätte sie sich befreit. Ich habe sie zu viel gelehrt, um daran zu zweifeln.« Ihre Züge wurden strenger. »Es gehört zum Job, mit Abtrünnigen fertig zu werden. Das ist die Regel.«
    »Es ist nicht meine Regel«, brachte ich heiser hervor.
    »Jemand muss es tun«, sagte Agnes unnachgiebig. »Jemand muss die Verantwortung übernehmen. Und ob es dir gefällt oder nicht, dieser Jemand bist du.«
    Ich schluckte. Die Tränen, die ich vorher nicht vergossen hatte, rollten mir jetzt über die Wangen, aber es war mir gleich. Ein weiterer Tod, nicht nur erneut von mir verschuldet, sondern durch meine Hand? Das sah der Plan nicht vor. Es war sogar das genaue Gegenteil des Plans. Ich wollte gewinnen, aber nicht auf diese Weise. Ich hatte genug vom Tod, erst recht von dem, den ich selbst verursacht hatte. Plötzlich hatte ich einen bitteren Geschmack im Mund. »Ich kann nicht.« Agnes beugte sich über mich, und eine sanfte Hand wölbte sich um mein Gesicht. »Du hast noch nicht einmal angefangen zu lernen, was du kannst. Aber du wirst es lernen.« Mit einem traurigen Lächeln trat sie zurück. »Ich hätte dich gern ausgebildet, Cassie.« Und zu Pritkin: »Sie wird Hilfe brauchen.« Pritkin kniete nieder, das Gesicht bleich. »Ich weiß.«
    Agnes nickte und sah mich an. In ihrem Gesicht zuckte es kurz, doch sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. »Die meisten Lektionen, die du brauchst, kann ich dich nicht lehren«, fuhr sie fort. »Aber eine schon.« Ich begriff erst, dass ich das Messer nicht mehr hatte, als ich es in ihrer Hand sah. »Agnes, nein!« Ich kam auf die Beine, aber es war zu spät. Sie zögerte nicht eine Sekunde. Als ich sie erreichte, war sie bereits auf die Knie gesunken und Myras Kleid voller Blut. Fast anmutig sank sie zu Boden, ihr zarter Leib hell in all dem Rot.
    Ich sah mich bestürzt um, doch von Agnes’ Geist fehlte jede Spur. Myras war ebenso wenig zu sehen. Ich wirbelte zu Pritkin herum, der noch immer kniete und beobachtete, wie das Blut eine größer werdende Lache auf den Bühnenbrettern bildete. Für eine Sekunde wirkte er fast wie ein verwirrtes Kind, doch der Ausdruck verschwand so schnell aus seinem Gesicht, dass ich nicht sicher war, ob ich ihn wirklich gesehen hatte.
    »Wo ist sie?«, fragte ich, meine Stimme schrill vor Furcht. »Ich sehe sie
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