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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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geredet. Aber ich schätze, Rache spielt da mit.«
    »Das ist der wichtigste Punkt«, pflichtete Agnes ihm bei. Sie sah mich an. »Lass sie frei.« Es war ein Befehl, ausgesprochen von einer Person, die daran gewöhnt war, dass man ihr sofort gehorchte.
    Ich versuchte gar nicht erst, mich dumm zu stellen. »Du hast es ebenfalls auf Myra abgesehen.«
Agnes verschränkte die fast transparenten Arme und maß mich mit einem finsteren Blick. »Stell dir vor, ich neige dazu, verärgert zu sein, wenn man mich ermordet.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe gehört, wie sie es zugegeben hat. Aber das Wie ist mir noch immer ein Rätsel.«
    »Kurz vor ihrem Verschwinden gab sie mir ein Sonnenwendgeschenk. Angeblich zu meinem Schutz.« Agnes verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
    »Das Sebastian-Medaillon, ich weiß. Es enthielt Arsen – die Magier fanden und öffneten es. Aber mir ist noch immer nicht klar, wie es gefährlich sein konnte. Das Gift befand sich im Innern, fest verschlossen!«
    »Myra bohrte oben ein kleines Loch hinein, bevor sie es mir gab. Sie kannte meine Angewohnheiten und wusste, dass ich immer ein Amulett oder einen Talisman in meine Getränke tauche, bevor ich sie trinke. Diese Angewohnheit habe ich von meiner Vorgängerin übernommen, die schwor, mein Leben würde mit Gift enden, wenn ich nicht aufpasste! Anderseits …« Agnes schwebte näher. »1929 riet sie mir auch, Aktien zu kaufen. Herophile war verrückt.«
    »Herophile?«
    »Ja. Sie trug den Namen der zweiten Pythia von Delphi. Nach allem, was man hört, war sie ebenfalls nicht ganz dicht.«
    Ich trug also den Namen einer Verrückten. Warum überraschte mich das nicht? »Ich verstehe noch immer nicht, warum Myra dich töten wollte. Wenn die Macht nicht auf den Mörder einer Pythia übergehen kann …«
    »Eigentlich hat sie mich gar nicht ermordet.«
    »Sie gab dir ein Medaillon mit Gift und wusste, was du damit machen würdest!« Für mich klang das ganz nach Mord.
    »Aber sie hat mich nicht gezwungen, es zu benutzen«, erwiderte Agnes. Sie hob die Hand, als ich Einspruch erheben wollte. »Ja, ich weiß. Ein modernes Gericht würde sie verurteilen, doch die Macht stammt aus einer Zeit vor Indizienbeweisen und begründetem Zweifel. Myra erstach mich nicht mit einem Schwert und schlug mir keine Keule auf den Kopf. Sie vergiftete nicht einmal meinen Wein – das habe ich selbst getan. Aus der Perspektive der Macht gesehen trifft sie keine Schuld.«
»Und?« Die letzten Worte von Agnes hatten recht unheilvoll geklungen, und ich fragte mich, was genau sie mit ihnen meinte.
    »Ich habe gesagt, dass die Macht Myra für unschuldig hält«, betonte Agnes. »Bei mir sieht die Sache anders aus. Das kleine Miststück hat mich umgebracht. Warum, glaubst du, bin ich hier?«
    »Und was hast du vor?« Sie war ein körperloser Geist, was ihren Möglichkeiten gewisse Grenzen setzte.
    »Lass sie frei, und du findest es heraus.«
    Mir fiel plötzlich ein, dass es für Agnes einen Ausweg gab. Wenn sie Besitz von Myra ergriff, konnte sie ihre Macht nutzen und versuchen, Ereignisse zu verändern. Ich hoffte sehr, dass sie keine entsprechenden Pläne hatte, denn ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich sie aufhalten sollte. Es war mir schwer genug gefallen, mit ihrer Erbin fertig zu werden. Ich bezweifelte sehr, dass ich gegen Agnes etwas ausrichten konnte.
    »Du hast doch nicht etwa vor, die Zeitlinie zu manipulieren«, sagte ich langsam. »Dein ganzes Leben lang hast du sie geschützt!«
    »Belehr mich nicht wegen der Zeitlinie!«, erwiderte Agnes scharf.
    »Mit wem reden Sie?«, fragte Pritkin.
    Ich seufzte. Für einen Moment hatte ich vergessen, dass Agnes ein Geist war, den er ebenso wenig sehen konnte wie Billy. »Sie würden mir die Antwort nicht glauben.«
    »Stellen Sie mich auf die Probe.« Pritkin wollte das Blut aus einer Schnittwunde über der rechten Braue wegwischen, damit es ihm nicht ins Auge geriet, aber er verschmierte es nur. Er sah plötzlich aus, als hätte er Kriegsbemalung aufgetragen. Ich beschloss, auf ihn einzugehen.
    »Na schön. Agnes ist als Geist hier und will ihre Ermordung rächen, verstehen Sie jetzt irgendetwas besser?«
    »Ja.« Er sank sofort auf ein Knie. »Lady Phemonoe, es ist mir wie immer eine Ehre.«
    Ich sah ihn finster an. Deutlicher konnte er mir kaum zeigen, wie er meinen Rang einschätzte.
    Agnes warf ihm nur einen kurzen Blick zu. Sie schenkte mir ein Lächeln, aber es war kein besonders freundliches.
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