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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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nahm. Denn wie sollte er sonst auf so einen Namen kommen? Ich glaubte das nicht. Atropa hatte ziemlich viel Fantasie, das stimmte, aber was sie schrieb, klang trotzdem immer nach klarem Verstand. Darauf war Luisa wahrscheinlich eifersüchtig. Atropa klang nie nach Freud, fällte nicht so schnell Urteile, gab keine Diagnosen raus, wie Luisa. Außer diesmal und das verwirrte mich:
    Atropa: du bist verknallt
    Kira: na toll, von dir hab ich eigentlich eine komplexere antwort erwartet
    Atropa: die thematik ist komplex genug, warte mal ab! aber das ist auch nicht alles
    Kira: was noch?
    Atropa: ha, okay … du hast das mit dem verknalltsein schon mal nicht abgestritten …
    Kira: ich verknall mich nicht in barbie-kens!
    Atropa: schmoll :)
    Kira: du bist blöd …
    Atropa: du musst das beobachten …
    Kira: was
    Atropa: das mit tim und wie du auf ihn reagierst
    Kira: du denkst also doch, dass ich wegen ihm hochgekocht bin, ohne dass es was mit verknalltheit zu tun hat!
    Atropa: naja, der typ lässt dich definitiv nicht kalt. aber was es genau zu bedeuten hat …
    Kira: gruselig. ich muss den typen ab jetzt jeden tag sehen und kann nicht dauernd fieber davon bekommen!
    Atropa: ruhig bleiben. erst mal beobachten, ob es überhaupt noch mal vorkommt
    Kira: du klingst so, als wäre dir auch schon mal sowas passiert …
    Atropa: ja … so ähnlich … erzähl ich dir später … muss jetzt weg … halt mich unbedingt auf dem laufenden!
     
    Und schon war Atropa „off“. Das war immer so, wenn es spannend wurde. Atropa betrieb eine ziemliche Geheimniskrämerei um ihre Person, obwohl sie mir schon so viel aus der Nase gezogen hatte. Sie versprach mir, irgendwas „beim nächsten Mal“ zu erzählen, aber ließ es dann ganz unter den Tisch fallen. Ich wusste kaum was über sie. Meist hörte sie mir zu. So gesehen war sie Luisa doch nicht so unähnlich. Sie verhielt sich wie eine Therapeutin. Viel mehr als Luisa, die zwar bis zum Erbrechen analysieren konnte, aber einem ihre Analysen nur so um die Ohren schlug. Atropa dagegen schien ihre Analysen für sich zu behalten. Vielleicht konnte ich genau deshalb so unbefangen mit ihr „reden“.
    Ich legte das Geld fürs Surfen und die Apfelschorle auf den Tisch und machte mich auf den Heimweg. Die Anderen hatten gerade Schluss. Delia würde also keinen Verdacht schöpfen. Ich war nicht gerade beruhigt, dass Atropa sicher war, mein Anfall würde definitiv im Zusammenhang mit Tim stehen. Insgeheim überlegte ich jetzt auch, ob das so was wie „Liebe auf den ersten Blick“ sein konnte, was mich gleichzeitig krank machen MUSSTE, wenn ich mir den Typen dazu anschaute, bei dem mir das passiert war. Maus verliebt sich in Löwen, Mücke in Schmetterling, Fiat in Mercedes, lächerlich, verfehlt, peinlich. Aber die Theorie ergab den meisten Sinn. Liebe auf den ersten Blick plus gleichzeitige Ablehnung der Person gleich Schwindel, Übelkeit und Fieber. Wenn ich das inzwischen so klar sah, würde morgen vielleicht der „zweite Blick“ helfen. Ich schüttelte mich, als ich merkte, wie sehr ich bereits mit Luisas analytischem Denken operierte. Wahrscheinlich war ich genau so, auch wenn ich mich lustig darüber machte. Manchmal konnte es ja auch wirklich helfen.
    Ich stahl mir ein paar Beruhigungstabletten aus Delias Tablettensammlung, beschloss, früh schlafen zu gehen und Morgen wieder alles unter Kontrolle zu haben. Tim war ein völlig belangloser Typ, der mich nicht interessierte und auch nicht zu mir passte. Ich würde das Schuljahr einfach Morgen noch mal neu beginnen, ganz normal und ohne Überraschungen.
    ***
    In den ersten zwei Stunden hatten wir Sport, der Tag fing gut an. Luisa hatte den neuen Stundenplan per Mail geschickt. Sie hatte auch angerufen, aber ich schlief bereits tief und fest, obwohl es erst sieben Uhr abends gewesen war. Zum Glück hatte sie meiner Mutter gegenüber kein Wort verloren, dass man mich von der Schule nach Hause geschickt hatte. Luisa kannte mich zu gut. Sie ahnte, dass ich mich um den Arzt gedrückt hatte und sie wusste, dass meine Eltern von mir nur das erfuhren, was unumgänglich war. Mein Vater wollte keinen Zugang zu meiner Welt, er wollte, dass ich ein Glanzstern in seiner Welt wurde und meine Mutter fand keinen.
    Ich war früh losgegangen und eine der Ersten in der Turnhalle. Mein Sportzeug hatte ich bereits zu Hause angezogen. Ich mied die Umkleideräume, wann es ging. Irgendwie verleitete die dort herrschende besondere Intimität immer zu den
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