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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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von mir ergreifen wollten.
    „Wir sind jetzt drinnen. Komm.“
    In der Halle wartete immerhin eine gute Nachricht. Die Jungs mussten sich auf der linken Seite mit Stangenklettern befassen, während die Mädchen auf der rechten Seite Kopfstand übten. Ich schnappte mir sofort eine Matte. Kopfstand war eines der wenigen Dinge, die mich im Sportunterricht nicht in Schwierigkeiten brachten. Immerhin. Der Druck gegen die Stirn tat irgendwie gut.
     
    „Mann, Kira, ich glaub, der steht auf dich“, sagte Luisa und biss von ihrem Käsebrötchen ab. So ein Blödsinn. Ich antwortete nicht.
    „Naja, oder findet dich zumindest irgendwie interessant.“
    „Interessant, ich? Ich bin höchstens so interessant wie eine Scheuche für ein paar Vögel, die nicht an die Kirschen gehen sollen.“ Luisa hörte auf zu kauen und sah mich überrascht an:
    „Was ist denn mit dir los?! So redest du doch sonst nie.“ Ich seufzte und setzte mich auf die Lehne der Bank, die wir in der großen Pause immer aufsuchten. Sie stand etwas abseits in der Nähe der Mülltonnen.
    „Das ist es ja gerade. Dieser Tim nervt mich, weil er mir das Gefühl gibt, der letzte Dreck zu sein. Ich fühle mich schlecht durch ihn und deshalb bin ich auch nicht verknallt in ihn.“
    „Er verwirrt dich. Das ist eine Herausforderung.“ Luisa schmunzelte und kaute. Ich starrte auf meine Milchschnitte, die ich mir heute Morgen eingesteckt hatte, aber ich hatte keinen Appetit.
    „Ha, der ist ein Fall für unsere Beautyköniginnen, aber doch nicht für mich.“
    Das hatte ich jetzt selbstbewusst gemeint. Luisa drehte sich zu mir, drückte ihr Kreuz durch und holte tief Luft. Ein sicheres Zeichen, dass wieder eine ihrer ehrlichen, aber gut gemeinten Ansprachen kam.
    „Naja, ein bisschen was machen könntest du ja wirklich aus dir. Ich meine, deine totale Antihaltung gegen jedes etwas gepflegtere Auftreten ist doch auch übertrieben. Nur weil du deine Mutter für ihren Beruf verachtest.“
    „Model sein ist kein Beruf, sondern rumstehen, aussehen und blöd grinsen.“
    „Siehst du, genau das meine ich. Deshalb musst du aber nicht ins Gegenextrem einer Kanalratte verfallen.“
    „Ach, danke, so siehst du mich also! Na, ist ja interessant!“ Ein Bild schob sich vor mein inneres Auge, wie Luisa später als Therapeutin in ihrem penibel sauberen und furchtbar angenehmen mit hellen Holzmöbeln und Sonnenschein ausgestatteten Behandlungszimmer saß, eine Brille aufhatte, während sie eine zweite pausenlos putzte.
    „Niemals fang ich an wegen eines Kerls „was aus mir zu machen“. Ich wollte mich von der Bank erheben und Luisa mit ihrer misslungenen Rede allein lassen, aber Luisa hatte mich schon am Arm gepackt.
    „Man, Kira, das ist doch gar nicht wegen eines Kerls und auch nicht wegen Tim, aber dein Trotz kann einen manchmal echt zur Weißglut bringen und im Wechsel zur totalen Selbsterniedrigung sowieso. Ich will nicht, dass du das mit dir machst. Und denk auch mal an die Anderen. Wie wenig hältst du dann eigentlich von mir, wenn ICH es nicht vermag, dein Selbstbewusstsein anzukratzen?!“
    Ich blieb sitzen und brütete vor mich hin. Die Milchschnitte hatte ich in der Verpackung inzwischen zu Brei verarbeitet.
    „Du hast ja recht … Du weißt, du bist die Einzige, mit der ich es hier überhaupt aushalte“, gab ich nach einiger Überlegung zu. Luisa lächelte. Luisa hatte ein kleines hübsches Gesicht, umrahmt von rotbraunen Locken. Mit ihren 1,60 war sie fast winzig. Sie war wirklich in Ordnung, auch wenn sie nach außen sehr brav, diszipliniert und wenig aufregend wirkte. Besonders das Normale liebte ich so an ihr, sie wohnte mit ihren Eltern in einer kleinen gemütlichen Dreizimmerwohnung und man spürte, wie die kleine Familie zusammenhielt und sich wirklich nah war. Es war, als hoffte ich, je öfter ich mit ihr Zeit verbrachte, desto mehr würde diese Harmonie und Wärme auf mich abstrahlen.
    „Aber mit diesem Neuen will ich trotzdem nichts zu tun haben, ob er nun auf mich steht oder nicht, okay?!“
    „Okay“, sagte Luisa und wir folgten der Klingel, die uns zur nächsten Stunde rief.
    ***
    „Und wenn Du es doch mal mit ein bisschen Eyeliner versuchst?“, fragte Delia vorsichtig und hielt mir ihren Stift hin, aber sie bekam von mir wie immer, ein resolutes „Nein!“ Die schwarze Stoffhose war okay, auch wenn ich sie niemals in der Schule tragen würde. Dazu hatte Delia eine silbrige Bluse mit raffiniertem Ausschnitt mitgebracht. Sie gab einfach
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