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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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in meiner Tasche. Meine Hand zitterte. Ganz ruhig, Kira, verhalte dich normal! Ich ließ meine Tasche in Ruhe und versuchte, Luisa anzulächeln. „Hallo, wie geht’s… danke für den Platz.“ Luisa sah mich misstrauisch an: „Alles in Ordnung mit dir?“
    „Äh, ja, mir war irgendwie nur kurz schwindlig, glaub ich…“
    Vorne stellte sich der Typ vor. Er hieß Tim und würde das Abi an unserer Schule machen. Er war Halbitaliener. Sein Vater hatte wegen seinem Job von Regensburg nach Berlin gewechselt. Ich tat so, als würde ich nach vorne schauen, sah aber an ihm vorbei aus Angst, noch mal von seinem hypnotisierenden Blick eingefangen zu werden. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie die Tussenfraktion, bestehend aus Kim, Isabell und Charleen kicherte. Bestimmt hatten sie schon Wetten aufgestellt, wer den Neuen abgreifen würde. Ich spürte etwas Warmes auf meiner linken Hand und zuckte erschrocken zurück, so dass meine Tasche geräuschvoll zu Boden ging. Es war nur Luisa. Sie griff nach meinen Handgelenken, weil meine Hände immer noch zitterten, als hätte ich ein offnes Stromkabel angefasst.
    „Die sind ja eiskalt.“
    Das stimmte. Meine Wangen dagegen glühten. Auf meiner Stirn hatten sich erneut kleine Schweißperlen gebildet.
    „Kira, ich glaub du bist krank…“
    Ich konnte nur nicken. Inzwischen lag alle Aufmerksamkeit auf uns. Frau Zuleit, die erst meckern wollte, weil wir Tims Auftritt boykottierten, stand vor mir und begriff, dass ich nicht in Ordnung war.
    „Ich bring sie ins Lehrerzimmer“, sagte Luisa, erhob sich, zwängte sich an meinem Stuhl vorbei und nahm mich am Arm. Ich wehrte mich. Ich wollte nicht noch einmal in Tims Nähe. Doch Lisa zog mich energisch aus dem Raum. Tim stand etwas verloren vor der Tafel, als wir uns an ihm vorbeidrängten. In dem Moment rutschte Luisa meine Tasche, die sie für mich trug, von der Schulter. Tim fing sie auf: „Lass nur, ich bring sie hinterher.“ Unbeherrscht riss ich sie ihm aus der Hand, als wollte er sie klauen.
     „Nein!“ schrie ich, presste die Tasche an mich und zog jetzt Luisa aus der Tür. Ich warf sie hinter mir zu und lehnte mich dagegen, als würde uns ein Ungeheuer verfolgen.
    „Kira…!“ rief Luisa, hielt mich an den Armen fest und versuchte, meinen Blick zu finden. Ich sah sie an und fühlte mich furchtbar schwach ...
    “Mir geht’s nicht gut …“ hauchte ich. Luisa nickte und legte mir ihren Arm um die Schulter. Auf Luisa gestützt, kam ich im Lehrerzimmer an und wurde auf die Liege im Krankenzimmer verfrachtet. Irgendeine Studentin steckte mir ein Fieberthermometer unter den Arm. Ich beruhigte mich langsam. Meine Temperatur war auf knapp 38, das war nicht so dramatisch. Ich hatte das Gefühl, ziemlich schnell wieder abzukühlen.
    „Mir geht’s besser.“
    „Wirklich?“, fragte die Studentin.
    „Ja.“
    „Schaffst du es allein zum Arzt?“
    „Ich denke schon.“
    Luisa beobachtete mich.
    „Soll ich dich bringen?“
    „Wenn du keine Lust auf Schule hast …?! “ Ich versuchte ein Lächeln.
     
    Luisa brachte mich bis zum Hoftor. Die frische Luft tat gut. Das Glühen in meinem Gesicht war verschwunden. Ich würde allein zurechtkommen, Luisa konnte wieder zurückgehen und den neuen Stundenplan einsammeln. „Komischer Fieberanfall“, überlegte ich. Luisa ließ ihre typische Grübelfalte auf der Stirn sehen, die sie immer bekam, wenn sie anfing, irgendwelche Theorien zu bilden.
    „Sag mal, kennst du den Neuen irgendwoher?“, fragte sie.
    „Den Neuen? Wieso … nee. Wieso sollte ich den kennen?“
    „Kam mir fast so vor, als würde dein Anfall mit ihm zusammenhängen.“
    „Quatsch!“
    Ich verdrehte die Augen. Luisa spielte schon wieder Psychodoktor. Sie wollte unbedingt Psychologie studieren.
    „Ich mein ja nur, kann was total Unbewusstes sein … Vielleicht erinnert er dich an jemanden?“
    Im Klassenzimmer war ich mir sicher gewesen, dass Tim schuld an meiner Übelkeit war. Aber mit Abstand und an der frischen Luft erschien mir das jetzt blödsinnig. Wahrscheinlich hatte ich mich nur total erschrocken wegen des Rucks mit der Tür und gleichzeitig hatte ein Virus in mir die Oberhand gewonnen. Mir war schon nach dem Glas Wasser heute früh übel gewesen. Dieser Tim konnte also gar nichts dafür. Wie sollte ein nichtssagender Sunnyboy und dummer Schönling das auch können? Hätte da Robin Williams gestanden, wär’s was Anderes gewesen. Ich sah Luisa mit einem bedeutungsschweren Gesichtsausdruck
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