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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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geräuschvoll den Stuhl an den Esstisch aus grünem, unpoliertem Marmor heran, als Zeichen für uns, dass jetzt gefrühstückt wurde. Ich goss mir eine Tasse Kaffee ein und setzte mich dazu. Gerade wollte ich mir ein Croissant nehmen, da sprach Gregor plötzlich und ohne Vorwarnung den magischen Namen aus meinen Träumen aus: „Tim Hoffmann, ist das zufällig ein Junge aus deiner Klasse?“
    Erschrocken zog ich meine Hand aus dem Brötchenkorb zurück und erwischte dabei meine Tasse mit dem Ellbogen. Ich konnte sie im Kippen noch halten, trotzdem ergoss sich der halbe Kaffe über den Tisch und etwas spritzte bis an die capuccinofarbene Wand. Wenigstens passte das farblich, schoss es mir durch den Kopf, als ich Delias intensiven Blick auf mir spürte.
     „Junge? Also, der ist schon achtzehn“, stotterte ich, völlig verwirrt, warum ich in Verteidigungsposition ging und Tim schützte.
    „Ihr kennt Euch also …“, warf Delia ein.
    „ Kennen ist völlig übertrieben. Der macht das Abschlussjahr bei uns. Ich hab ihn vor fünf Tagen zum ersten Mal gesehen.“
     „Mit achtzehn ist man jedenfalls noch lange kein Mann. Schon gar nicht, wenn man in Flipflops und kurzen Jeans zu einem Pressempfang erscheint.“ Gregor biss in sein Brötchen. Kauend setzte er sein Verhör fort.
    „Und du wusstest nicht, dass er da auftaucht?“
    Ich schüttelte heftig den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Aber wie hast du so schnell rausgefunden …“ Gregor grinste breit. „Das dürfte in heutigen Zeiten wohl kein Problem sein.“ Er zog ein Stück Wurstpelle zwischen seinen Zähnen hervor und legte es auf den Tellerrand.
    „Allerdings wundert mich, dass du mir gestern nichts über ihn erzählt hast.“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nicht, dass er wichtig ist.“
    Gregor räusperte sich, als wollte er die Frage ungeschehen machen. Mit Nachdruck betonte er:
    „Nein, ist er natürlich auch nicht. Hätte er nicht einen Presseheini dabeigehabt, hätten wir ihn gar nicht vorgelassen. Dass man jetzt schon für Hinterhofblätter Rechenschaft ablegen muss, ob ein Unternehmen korrekt arbeitet, ist doch lächerlich. Kannst du dem Grünschnabel ruhig ausrichten! Der soll lieber seine Hausaufgaben machen.“ Ich nickte. Gregor wischte sich mit der Serviette den Mund ab, sprang auf, gab Delia flüchtig einen Kuss und schon war er aus der Tür.
    Auch wenn es gestern gar nicht so ausgesehen hatte, Tim musste ihm mit seinen Fragen irgendwie am Lack gekratzt haben. Es hatte Gregor nicht kalt gelassen. Gleichzeitig ärgerte ich mich über Gregor, denn er tat so, als wäre ich schuld daran, nur weil der Typ seit einer knappen Woche in meine Klasse ging. Delia sah mich immer noch so komisch an. Schnell schnappte ich mir meinen Teller, sprang auf und sortierte ihn in die Geschirrspülmaschine, bevor sie auch noch mit einem Verhör beginnen konnte. Sie stand auf, aber fing trotzdem an:
    „Aber irgendwas ist doch mit diesem Tim …“ Wenn sie mich jetzt nicht in eines ihrer Lieblingsthemen um das Liebes-Beziehungs-und Sehnsuchtsleben ihrer Tochter ziehen wollte, musste ich Flucht nach vorne begehen. Ich sah ihr geradewegs ins Gesicht und sagte laut und deutlich:
    „Ja, ist auch! Er ist ein aufgeblasener, arroganter Schönling, auf den alle reinfallen, die nur nach Äußerlichkeiten gehen und deswegen kann ich ihn nicht ausstehen!“
     
    Den ganzen Chemieblock hatte ich das Gefühl, dass Tim immer wieder zu mir herübersah. Ich saß mit Luisa in der Mitte und er in der Bank daneben an der Wand. Ich konnte mich kein bisschen konzentrieren. Langsam war ich mir sicher, dass er Bescheid wusste, wer ich war. Entweder, er hatte mich bei dem Empfang gesehen, vielleicht mit Gregor zusammen oder er hatte recherchiert. Es fühlte sich so an, als würden mir seine Blicke seitlich ins Ohr brennen. Zum Ende der Stunde reichte es mir. Ich war geladen, als hätte man mich an ein Stromnetz angeschlossen und stetig die Energiezufuhr erhöht. Als ich zu ihm hinsah, schaute er weg. Wahrscheinlich war ich unten durch bei ihm, weil ich die Tochter von Gregor Wende war und er von Kapitalisten nichts hielt. Anders konnte ich diese Reaktion nicht deuten. Dabei war er doch derjenige, der sich in mein Leben einmischte und zwar massiv. Was ging ihn das alles überhaupt an?
    Der Unterricht war zu Ende. Es hatte irgendeine Hausaufgabe gegeben, von der ich nichts mitbekam. Ich musste mit Tim sprechen, ihn zur Rede stellen, ihm mal Bescheid geben. Er hatte meinen
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