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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder
Autoren: Marion Feldhausen
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Trüstedt, auf dem Boden ausgestreckt, sein Abschiedsbrief auf dem Tisch. Ein Satz:
    »Ich kann so nicht weiterleben.«
    Alles deutete auf eine Selbsttötung hin. Die Truppe um den Kriminaltechniker Schlechtriem hatte das mittels ihrer neuesten Errungenschaft, der PVAL-Handschuhe * , nachgewiesen. Sie hatten zweifelsfrei Schussrückstände an der rechten Hand sichtbar gemacht. Schlechtriems Schwager arbeitete beim lka , dessen Untersuchungsmethoden dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprachen und das mit einem hochmodernen Instrumentarium arbeitete. Der Schwager geizte nicht, weder in Hinsicht auf Informationen noch auf Material.
    * Schmauchspuren an der Hand eines Schützen können auf chemografischem Weg nachgewiesen werden durch die PVAL-Methode (Polyvinylalkohol-Abzugsverfahren).
    Nach dem kurzen Telefonat mit Trüstedts Nachbarin war Alvermann immer weniger derselben Meinung. Da roch was streng. Er traute seiner Nase mehr als allen Startechnikern und hatte noch am Wochenende Meiners und Masur losgeschickt. Nachbarn, Hotelpersonal und -gäste, Trüstedts Wohnung noch einmal von oben nach unten, egal, wie gründlich dort schon gesiebt worden war.
    Die Bewohner des Hauses, in dem Trüstedt fast fünf Jahre gelebt hatte, beschrieben einen zurückgezogen lebenden Menschen, leise, unauffällig im Kontakt. Er sei häufig unterwegs gewesen, manchmal wochenlang. Beruflich unterwegs, wie er seinem direkten Flurnachbarn erzählt hatte. Seine Kontobewegungen waren inzwischen überprüft worden. Nichts Auffälliges, eine monatliche Rente und hier und da Beträge von Pharmafirmen. Keine Familie. Freunde oder Bekannte hatten sich bisher nicht gemeldet – bis auf die Frau, die unter ihm wohnte, mit der Alvermann telefoniert hatte.
    Auch Meiners waren die kahlen Wände und die wenigen persönlichen Gegenstände aufgefallen, die wie drapiert wirkten, um den schlimmsten Eindruck von Leere und Trostlosigkeit zu mildern.
    »Der war schon vor seinem Suizid tot«, so Meiners’ Schlussfolgerung, »wenn’s denn einer war.«

5
    Alvermann kam als Letzter und stellte eine Literflasche stilles Wasser auf den Tisch. Meiners und Bulleken diskutierten gerade lautstark über den Bericht der Technik. Masur saß ihnen gegenüber und kritzelte auf einem Notizblock herum, neben sich Johanna König, die zuhörte oder träumte.
    »Ich trinke jetzt mittags Wasser!«
    Masur schlug sich aufs Herz und nickte wissend:
    »Kaffee und Leberwurststulle waren früher, Alvermann. Jetzt kommen die harten Jahre!«
    Die anderen griffen gleichzeitig nach ihren Kaffeetassen und prosteten einander zu.
    »Und, Kollegen? Was ist eure Meinung?«
    Bulleken, der erst seit wenigen Monaten bei der Gruppe war, meinte:
    »Nach deiner Notiz hier scheint ein Suizid eher fraglich.«
    Trüstedts Nachbarin, Regina Wanders, hatte Alvermann gegenüber am Telefon eine klare Position bezogen. Wenngleich er sie nur schlecht hatte verstehen können – sie war offenbar Niederländerin –, war ihm zumindest klar geworden, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt einen Suizid für eher unwahrscheinlich hielt. Sie habe hin und wieder Kontakt zu dem Verstorbenen gehabt, meist auf der Treppe, wenige Male hätten sie sich gegenseitig zu Kaffee oder einem Glas Wein eingeladen. Friedrich Trüstedt sei kein fröhlicher Mensch gewesen, oft niedergeschlagen und irgendwie auch ein Geheimniskrämer. Er habe wenig über sich gesprochen. Er sei kein Stadtmensch, er lebe erst in der Natur auf, habe er mehrmals geäußert, weil die Natur sich keine Meinung von einem bilde. Als Frührentner habe er sich mit Übersetzungen von Beipackzetteln für die Pharmaindustrie etwas dazuverdient und sei viel gereist. Oft aus beruflichen Gründen, aber auch privat. Ende letzten Jahres sei er so depressiv gewesen, dass sie ihm Namen und Telefonnummer ihres Therapeuten gegeben habe. Ob er sich dort gemeldet habe, wisse sie nicht. Aber vielleicht zwei Wochen vor seinem Tod, da habe sich sein Verhalten verändert. Er sei auf einen Kaffee zu ihr gekommen, ohne Einladung, »nur so«. Das allein sei schon ungewöhnlich für ihn gewesen. Und er habe von einer Entscheidung erzählt, die er getroffen habe und mit der es ihm sehr gut gehe. Sie sei nicht weiter in ihn gedrungen, habe sich einfach mit ihm gefreut. Sie glaube nicht, dass er sich wenig später umgebracht habe. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte sie ihm möglicherweise Selbstmordgedanken zugetraut.
    »Die Technik hält einen Suizid für wahrscheinlich, wie
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