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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder
Autoren: Marion Feldhausen
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Rezeption, als die beiden hereinkommen.«
    »Er war etwas größer als Trüstedt, hatte eine Mütze auf und, ja, trug eine Brille mit getönten Gläsern. Dunkler Typ. Er sah gut aus, aber nicht auf die schwule Art.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Schwule Männer sind oft sehr attraktiv, aber eben anders als ihr. Ich dachte, es sind zwei Bi-Männer, die sich etwas gönnen.«
    Alvermann schluckte und musste neidlos anerkennen, dass die jungen Frauen heute, anders als zu seiner Zeit, wenig verklemmt zu sein schienen.
    »Aha, so. Und was hatte er an?«
    »Daran kann ich mich nicht genau erinnern. Vielleicht einen Mantel … nein, ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall dunkel gekleidet.«
    »Und hat er gesprochen? Irgendetwas von sich gegeben?«
    »Nein, er hat Herrn Trüstedt alles überlassen.«
    »Sie hatten beide kein Gepäck dabei? Kam Ihnen das nicht seltsam vor?«
    »Also … nein … für eine kurze Nummer? Die hatten doch alles dabei, was sie brauchten.« Sie lächelte ihn an.
    Alvermann betrachtete Julia Boers, Studentin im zwölften Semester.
    Als er nach der Finanzierung ihres Studiums gefragt hatte, wollte sie nicht so recht mit der Sprache herausrücken. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie nicht nur Nachtdienste in fragwürdigen Hotels übernahm.
    »Das Mercator ist also ein Stundenhotel?«
    Er lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    »Nein, aber es kommt schon hin und wieder vor … Wir sind so gut wie nie ausgebucht, verstehen Sie?«
    »Wie und wann hat Trüstedts Begleiter das Hotel verlassen? Was denken Sie?«
    »Gegen zwei Uhr habe ich abgeschlossen. Dann dürfen wir uns hier auf das Sofa legen. Bis dahin war alles ruhig.«
    »Hatten Sie die ganze Zeit den Ausgang im Auge?«
    »Nein, bestimmt nicht. Ich habe mir Tee gekocht, war auf der Toilette und dann auch in der Küche, als ich mir ein Brot gemacht habe. Da kann er sich immer davongemacht haben.«
    »Haben Sie irgendetwas gehört? Bitte nehmen Sie sich Zeit, denken Sie noch einmal genau zurück. Irgendetwas, das Ihnen aufgefallen ist?«
    Ihr war nichts aufgefallen. Der Ablösung, die um sechs Uhr zur Frühschicht gekommen war, bekanntermaßen ja auch nicht. Der Tote war gegen elf Uhr von einem der Zimmermädchen gefunden worden.
    Alvermann beendete nach einer weiteren halben Stunde die Vernehmung, als er das Gefühl hatte, alles aus der jungen Frau herausgefragt zu haben, was noch als Erinnerung in ihrem Hirn vorhanden war.
    Julia Boers hatte noch einen kurzen Nachruf auf Trüstedt:
    »Hoffentlich hatte er noch eine gute Zeit, bevor er sich erschossen hat, der arme Kerl.«

7
    Er fuhr mit dem Wagen zurück ins Präsidium und ging zu Fuß in die Stadt. Es war einer dieser strahlenden Maitage, die förmlich dazu einladen, hinauszugehen und den Frühling zu genießen. Und Karlsbach, sah man von den Bausünden der Sechzigerjahre ab, wurde im Frühjahr fast zu einem ansprechenden Ort. Alvermann ging einen Umweg, hinunter an den Karlsbach. Von da ab führte ihn sein Weg durch Weideland, später durch den Stettnerpark. Neulich war er morgens auch diesen Weg gegangen, als noch ein Spaziergang vor Dienstbeginn zu seinem Morgenritual gehörte. Dunst hatte in dünnen Schleiern über der Landschaft gelegen, der Lärm der erwachenden Stadt war kaum zu hören gewesen. Inmitten blühender Obstbäume hatte er innegehalten und die Gerüche und den lauen Wind auf seinem Gesicht genossen.
    Was tue ich mit meinem Leben?, hatte er sich gefragt. Ich vergeude es im Büromief hinter Aktenbergen, und meine Gedanken kreisen viel zu oft um Widerwärtigkeiten.
    Aber als er sich dann Alternativen vorgestellt hatte, wie Kindern Akkordeonunterricht zu geben, die zu ihm hingeprügelt wurden, oder als drittklassiger Alleinunterhalter auf Hochzeiten zu spielen, hatte ihn die Ahnung beschlichen, dass die Würfel gefallen waren. Doch bei dem Gedanken an das, was nun vor ihm lag, gefiel ihm die Idee, an Alternativen zu denken, doch wieder ganz gut.
    Ich sollte, überlegte Alvermann versonnen, schon mal mit ein wenig Unterrichten anfangen … Keine Hohlköpfe, die schmeiß ich gleich wieder raus, sondern wirklich interessierte junge Menschen, mit Liebe zur Musik.
    Klar, tönte gleich der Realist in ihm, da wird es in Karlsbach tatsächlich einen geben, der Lust hat, Akkordeon zu lernen und dann noch bei einem Bullen, haha!
    Ein dritter Alvermann, der schon mal zur Resignation neigte, ließ das Thema fallen und kam wieder im viel zitierten Hier und
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