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Himmel, hilf!

Himmel, hilf!

Titel: Himmel, hilf!
Autoren: Debbie Macomber
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sprach er nicht offen aus. Sie sollte ihn nicht für aufdringlich halten. Später, nach dem Mittagessen, würde er sie mit der Wahrheit überraschen und ihr sagen, wer er war. Ihr Interesse an seiner Person schmeichelte ihm zutiefst – umso mehr, als sie nicht ahnte, dass er der Produzent jenes “exquisiten” Weines war. Was würde sie wohl sagen, wenn sie es erfuhr? Der Gedanke brachte ihn zum Lächeln. Dieser kleine Flirt bestätigte genau das, was er sich ständig sagte, seit Tess ihn verlassen hatte: Er war immer noch jung, vital, attraktiv.
    In diesem Augenblick passierte es.
    Der Ausdruck auf Cherrys Gesicht offenbarte ihre Gedanken so klar und deutlich, als hätte sie sie laut ausgesprochen. Sie war an Greg nicht interessiert. Ja, um ihr bei einem Drink die Zeit zu vertreiben, genügte er – zumal er ihren Wein zahlte. Aber das war alles.
    “Ich muss mich wirklich auf den Weg machen”, erklärte Cherry und griff nach ihren Einkaufstaschen. “Meine Fingernägel sehen schrecklich aus. Vielen Dank für … für die Gesellschaft und den Wein.”
    “Keine Ursache”, murmelte Greg, während er ihr nachsah. Der Schlag, den sie seinem Stolz versetzt hatte, schmerzte.
    Kurz darauf ging er ebenfalls. Niederlagen hatte er noch nie gut wegstecken können. Er besaß darin einfach keine große Übung.
    Greg wusste, dass er nach zwei Martinis nicht mehr fahren konnte. Also ließ er das Auto auf dem Parkplatz stehen und ging zu Fuß einfach irgendwohin. Ziellos spazierte er durch die überfüllten Straßen, während er gleichzeitig versuchte, den abstoßend gut gelaunten Passanten auszuweichen. Ihm knurrte der Magen, und sein Kopf schmerzte, aber all das war nichts gegen seinen verletzten Stolz. Jedes Mal, wenn er sich an Cherrys Miene erinnerte, verzog er unwillkürlich das Gesicht. Okay, ja, sie war zu jung gewesen; vermutlich nicht älter als dreißig.
    Andererseits kannte Greg Dutzende Frauen ihres Alters, die sich alle zehn Finger danach lecken würden, Zeit mit ihm zu verbringen. Er war charmant, weltgewandt und reich. Vielleicht nicht ganz so reich wie früher – aber das würde er bald wieder sein, sobald er diese steinige Wegstrecke überwunden hatte.
Falls
er sie überwand. Die Wahrheit war: Er stand kurz davor, alles zu verlieren.
    In dem verzweifelten Versuch, seinen düsteren Gedanken zu entfliehen, beschleunigte Greg seine Schritte.
Nur nicht nachdenken! Die Ängste gar nicht erst hochkommen lassen!
Stattdessen konzentrierte er sich auf das Geräusch seiner Schritte und den Rhythmus seiner Atemzüge. Ohne auch nur einmal Halt zu machen, bog er hier und dort ab, bis er sich in einer Seitenstraße vor einer imposanten Backsteinkirche wiederfand.
    Greg blieb stehen. Eine Kirche. Wenn ihm nicht so elend zumute gewesen wäre, hätte er am liebsten aufgelacht. Er erinnerte sich noch genau daran, wie seine Mutter ihn und seinen Bruder Phil jeden Sonntag zum Gottesdienst geschleppt hatte. Sogar zu Collegezeiten war er noch regelmäßig in die Kirche gegangen. Aber nun hatte er keine mehr betreten, seit … seit Catherine.
    Sie war im College seine Flamme gewesen – bis plötzlich Schluss war. Nein, wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sie hatte sitzen lassen. Im Laufe der Jahre waren seine Schuldgefühle schwächer geworden. Inzwischen dachte er nur noch selten an Catherine. Merkwürdig, dass diese Sache ihm nun, fünfunddreißig Jahre später, plötzlich wieder so lebhaft vor Augen stand!
    Als er Catherine zum letzten Mal gesehen hatte, war er in seinem College-Abschlussjahr. Sie liebten sich, alles war gut. Dann gestand Catherine ihm, dass sie schwanger war, und versetzte Greg damit in Panik. Er stand kurz vor den Abschlussprüfungen, wollte endlich den Schritt ins Leben gehen – und reagierte so, wie es ihm damals das Vernünftigste schien: Er lief davon.
    Er brachte es nicht fertig, von Angesicht zu Angesicht mit Catherine zu sprechen. Stattdessen teilte er ihr in einem Brief mit, dass er sie verließ. Mit dem Baby sollte sie tun, was sie für richtig hielt. Natürlich hatte er sich wie ein Feigling verhalten, aber schließlich war er damals nicht viel mehr als ein Kind gewesen. Er machte sich schon lange keine Vorwürfe mehr deswegen. Von Catherine hatte er nie wieder etwas gehört. Er wusste bis heute nicht, ob sie das Kind bekommen hatte. Damals waren Abtreibungen noch illegal, aber wer eine unerwünschte Schwangerschaft beenden wollte, fand normalerweise Mittel und Wege dazu. Seiner Mutter
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