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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
Autoren: Gil Adamson
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Vater zu verteidigen, aber da sehe ich Netty mit Auntie Merry in der Tür stehen. Merry wirkt mitgenommen; mit uns allen geplagt, sitzt sie hier fest. Sie zupft an ihren Ärmeln und streicht sich die Bluse glatt. Netty mustert mich und das Schnurbatik-T-Shirt, das ich als Nachthemd trage.
    »Hat dir dein Vater das gekauft?«, fragt sie.
    Ich ziehe mir die Decke bis zum Hals. »Nein«, antworte ich beleidigt, »das habe ich von meinem eigenen Geld gekauft.«
    »Gut«, sagt Netty. »Ich dachte schon, er wäre jetzt völlig verblödet.«
    Alle Frauen, ich eingeschlossen, fahren mit dem Aufzug in die Lobby hinunter. Dort an der Rezeption, hinter einem Computer, sitzt mein Bruder; seine noch ungekämmten Haare stehen in die Höhe wie Flammen. Die beiden Rezeptionsangestellten sehen mir entgegen, als ich näher komme.
    »Im Stammverzeichnis ist der Wurm drin«, sagt Andrew dann, und einer der Angestellten strahlt, klopft Andrew auf den Rücken und bricht in Begeisterung aus. Auf Italienisch.
    Niemand weiß, woher Andrew das hat: Man kann ihn vor ein x-beliebiges kaputtes Gerät hinstellen, und er repariert es. Niemand hat ihn je eine Computerzeitschrift lesen sehen, trotzdem weiß er, was aktuell und was veraltet ist; er versteht die Sprache der Maschinen. Mitten in einem Wust von Hieroglyphen deutet er auf ein Zeichen und sagt: »Hier sollte ein Backlash stehen und nicht zwei.« Dasselbe gilt für primitivere Maschinen: Toaster, Schmelzöfen, Autos. Er beugt sich über die öligen Innereien, Röhren und Schläuche im Auto meines Vaters, verzieht das Gesicht und zeigt auf einen nicht identifizierbaren Metallbrocken. »Gebraucht gekauft?«
    Nach dem Frühstück erfahren wir mehr über das Begräbnis, zu dem wir gehen. Wir hatten alle schon die ganze Zeit herumgefragt, aber ohne Erfolg. Die Frage »Wer ist denn gestorben?« kann, vor allem wenn sprachliche Hindernisse im Weg liegen, zu unerwarteten Ergebnissen führen. Castor bekam die Auskunft, es handle sich um eine ganze Familie, die vor fast einem Jahr bei einem Brand in der Stadt ums Leben kam. Blühender Unsinn, da diese Familie garantiert längst beerdigt ist. Auntie Merry ging stillschweigend davon aus, dass es jemand aus unserer Familie war, den sie nicht kannte. Bishop glaubte, er habe einen Vater getroffen, dessen Kind als vermisst und nun mutmaßlich als tot galt … aber es stellte sich heraus, dass ihm der Mann nur Fotos von seinem quicklebendigen Enkelkind hatte zeigen wollen.
    Meinem Vater gelang es, die Sache zu klären, und er erläutert sie jetzt in einer Ausführlichkeit, dass meine Mutter sich krümmt und mich seufzend anstarrt, als wäre ich dafür verantwortlich. Bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen Mann namens Otto, Organist der Kirche direkt gegenüber von unserem Hotel. Er war siebenundachtzig Jahre alt geworden, hatte mit verschiedenen Frauen Dutzende von Kindern gezeugt und sein Leben lang jeden Abend im Hotel gegessen und getrunken. Er gehörte sozusagen zum Inventar und war ein stadtbekanntes Original. Jetzt ist er tot, und das ganze Hotel ist zu seiner Beerdigung eingeladen.
    Am Nachmittag laufen Andrew und ich die Straße in die Stadt hinunter, mit gefühllosen Wangen, die Hände in den Manteltaschen. Sie schmerzen höllisch, weil wir so dumm gewesen sind, Reisebusse und geparkte Autos mit Schneebällen zu bombardieren, bis wir die Kälte zu spüren bekamen. Ich hänge richtig gern mit meinem Bruder rum, wenn er mich lässt. Trotzdem bin ich gerade mit dem Kopf woanders; mich beschäftigt immer noch der Anruf von gestern Abend, und mir tun alte Männer leid, die nicht mehr machen können, worauf sie Lust haben.
    »Glaubst du, Granddad hat einen an der Waffel?«, frage ich Andrew.
    »Ja«, sagt er.
    »Wieso bist du dir da so sicher?« Die ganze Zeit quält mich der Verdacht, dass ich einmal so ende wie mein Großvater, dass ich in Spielcasinos zocke, Wildfremde zu Tode erschrecke, abstruse Geschichten so oft erzähle, bis ich sie selber glaube. Zum Beispiel habe ich Angst davor, den Führerschein zu machen. Mein Großvater hielt sich zunächst strikt an die Regeln, dann parkte er eines Tages mitten auf dem Gehweg, eine breite Spur niedergewalzter Jungbäumchen hinter sich. Daran hat sich seither nichts mehr geändert.
    »Und ob der einen an der Waffel hat.« Andrew erwärmt sich für das Thema. »Aber wahrscheinlich war er früher ganz normal, wie du und ich.«
    »Du liebe Zeit.«
    »Schuld ist das Alter, das Fernsehen. Weißt du, dass
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