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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
Autoren: Gil Adamson
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Gesicht.
    »Parasiten«, poltert er los. »Kopulieren und schlafen in den Tag hinein und trinken Cognac.« Dann nimmt er vom grünen Filz des Billardtischs ein Glas mit einem bernsteinfarbenen Getränk.
    »Schau dir diesen sogenannten Mann an«, sagt er. »Schau dir mal an, wie fett der ist. Allein sein Kopf muss einen halben Zentner wiegen.« Angeekelt marschiert er davon, um das Foto meinem Vater zu zeigen. Kaum ist er fort, kippe ich den Rest seines Drinks.
    Es ist mir gelungen, den Küchenjungen zu mir aufs Zimmer zu locken. Jetzt habe ich ihn auf dem Bett und liege auf ihm. Er lacht und versucht, seine weiße Uniform aufzuknöpfen. Ich springe auf und ziehe die schweren Vorhänge zu, so dass der Raum im Dunkel versinkt. Als ich aufs Bett zurückkehre, muss ich aufpassen, dass ich dem Jungen nicht meine Knie oder Ellbogen in den Leib ramme. Ich hoffe, meine Mutter, die das Zimmer mit mir teilt, kommt nicht herein. Sie ist mit der restlichen Familie unten in der Lounge. Dort war ich auch, bis ich den Küchenjungen mit seiner Papiermütze den Gang entlangkommen sah.
    Später zeigt mir der Küchenjunge, der Hans heißt, eine vom Personal benutzte Hintertreppe. An der Tür zu dieser Treppe hängt ein großes Schild, das in vier Sprachen warnt, beim Öffnen werde ein Alarm ausgelöst, aber Hans stößt die Tür trotzdem auf und zeigt mir, dass die Stromkabel an einem Rohr geerdet wurden. Wir sitzen im Treppenhaus, und er bringt mir die deutschen Begriffe für alle möglichen Körperteile bei. Es dauert nicht lang, da wünsche ich mir, dass er geht. Meine Gedanken schweifen zu einem jungen Mann ab, den ich vorhin gesehen habe; ganz verloren stand er neben dem Portier.
    »Dad«, setze ich an und springe Leuten, die durch die Eingangstüren hereinkommen, aus dem Weg. »Dad, muss ich zu dieser Beerdigung? Kann sein, dass mir dort schlecht wird. Vielleicht sollte ich lieber in meinem Zimmer bleiben und lesen …«
    Mein Vater blickt über meinen Kopf hinweg. »Hmm?«, macht er nur und drückt mir die Geschenketüte, die er mit sich herumschleppt, in die Hand. Dann spaziert er gemächlich zu meiner Mutter hinüber und setzt sich zu ihr. Für einen Fremden sähen meine Eltern aus wie ein ganz normales Ehepaar. Sie ähneln sich äußerlich, sprechen mit der gleichen Satzmelodie, sitzen in der gleichen aufrechten Haltung da. Inzwischen hat sich sogar ihre Handschrift angeglichen. Aber meine Mutter lächelt meinen Vater höflich an, wie sie sonst nur Fremde anlächelt. Mir wird flau, es hebt mich ein wenig, als hätte sich die Luft in Gas verwandelt. Ich drehe mich um und fliehe ans andere Ende der weiträumigen Lobby.
    Dort, an einer breiten Fensterfront, finde ich Andrew; er blickt hinaus auf die Berge, deren Gipfelkette im letzten Sonnenlicht rot aufglüht. Ich übergebe ihm die Tüte mit den Geschenken, die er bereitwillig entgegennimmt und wie einen Aktenkoffer in der Hand hält.
    »Weißt du was?«, sagt er. »Gerade ist eine Frau vorbeigegangen und hat mich getreten.« Leute strömen an uns vorbei, auf Deutsch oder Italienisch murmelnd, Männer mit Gepäcktrolleys, Kinder in ihren besten Wintersachen.
    »Und das auch noch mit voller Absicht«, fügt er hinzu. Ich erkläre ihm, dass diese Frau meiner Meinung nach eine besondere Vorliebe dafür hat, Tritte an junge Männer auszuteilen. Andrew ist groß und schlaksig, hat breite Hände und Ellbogen und ein ernstes, nachdenkliches Gesicht. Er stupst mich an und zeigt mir die Frau in der Menge. Was für ein Anblick: ein merkwürdiges, zum Platzen dickes Geschöpf im grauen Pelz, das zwischen den Cocktailkleidern, Mänteln, großen Reisekoffern und Riesenbäumen in Pflanzkübeln herumstreunt. Wir beobachten die Frau, wie sie durch die Lobby steuert, vorbei an mehreren Skiläufern und dem Angestellten an der Rezeption – alles junge Männer. Ihnen tut sie nichts. Wir verfolgen ihren Kurs, bis sie in einem der niedrigen, dunklen Korridore verschwindet. Andrew sieht mich bestürzt an, die Geschenketüte baumelt an seiner Hand.
    »Was habe ich ihr getan?«
    Mitten in der Nacht kommt ein Anruf. Meine Großeltern streiten. Mitten in Las Vegas.
    Bishop und mein Dad werfen sich gegenseitig den Hörer zu wie eine heiße Kartoffel und zischen:
    »Auf keinen Fall, ich hab das oft genug!«
    »Wieso schaust du mich an?«
    »Nimm das verdammte Telefon!«
    Castor sieht dem Treiben zu. »Ich brauch nen Drink«, sagt er. Wir stehen alle auf dem Flur vor dem offenen Zimmer meines Vaters, im
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