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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
Autoren: Gil Adamson
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In solchen Momenten habe ich das Gefühl, das Einzige, was ihn bei mir hält, ist die Leine. Aber Hund macht keinerlei Anstalten fortzulaufen. Unsere Haustür steht gewöhnlich den ganzen Tag offen, und wenn ich unruhig werde, gehe ich hinaus und sehe nach ihm, wie er in einem Schattenfleck auf der Einfahrt schläft. Er rührt sich nicht, die Sonne brennt herunter, und alles ist beim Alten.

Die Beerdigung
    Bei mir ist eine Phase angebrochen, in der ich ohne jede Überlegung zustoße wie eine Kobra. Der Küchenjunge steht mit rotem Gesicht an der offenen Hintertür der Hotelküche und hält lässig eine Zigarette in der Hand; er spricht kein Englisch, aber er weiß genau, was ich von ihm will. Morgen ist Heiligabend; ich kann schon das Weihnachtsessen riechen, das in Vorbereitung ist. Ich habe noch keinen Plan, wo genau wir in die Tat umsetzen werden, was ich dem Typen antrage. Bevor ich darüber nachdenken kann, erblicke ich Dad und muss schleunigst in einen Gang abtauchen; vielleicht kann ich später zurückkehren, um die Details zu klären.
    Die Wände sind mit Lanzen und dunkelroten Gobelins dekoriert, darunter stehen Stühle mit unbequem gerader Lehne, als Sitzmöbel völlig ungeeignet. Es hängen Gemälde von Pferden herum, die mit ihren riesigen Kruppen und winzigen Hufen aussehen wie überreife Früchte. Die Wände wie auch die Böden sind aus Stein gemauert, überall liegen Teppiche, die Lobby hat bunte Glasfenster.
    »Der reinste Wahnsinn«, hatte meine Mutter bei ihrer Ankunft nicht ohne Begeisterung gesagt, als ihr Blick über den »kranken Luxus« glitt. Bishop fühlte sich durch das Hotel an Horrorfilme erinnert. Wir standen da, das Gepäck zu unseren Füßen, und betrachteten das Kommen und Gehen der Touristen, die ausgestopften Reh- und Hirschköpfe an den Wänden, den Kronleuchter, die Läufer auf dem Boden, die sich in den Fernen dunkler Gängen verloren. Castor wirkte glücklich, wir waren alle zusammen.
    Wir sind in einem Berghotel, in dem jeder Gast eine andere Sprache zu sprechen scheint. Man hat uns im alten Flügel in vier benachbarten Zimmern untergebracht: meinen Vater zusammen mit meinem Bruder, Castor mit Netty, Mum mit mir und Bishop mit seiner neuesten Frau, der übergewichtigen Auntie Merry. Meine Großeltern können nicht kommen, weil sie – wieder einmal – nicht miteinander reden.
    Die Reise war Onkel Castors Idee. Ihm gehört das Hotel, zumindest ein Teil davon. Niemand weiß so genau, wo Castors Geld eigentlich herkommt und was er damit macht. Die Hotelangestellten kennen ihn jedenfalls. Leise unterhalten sie sich mit ihm in verschiedenen Sprachen, er darf durch die Personalkorridore gehen, ihm werden hausinterne Mitteilungen und Post gebracht. Es war seine Idee gewesen, meine Mutter einzuladen, die mit einer kleinen gelben Tasche ankam. Nach einem einzigen Blick auf meinen Vater, den sie ganz offensichtlich nicht erwartet hatte, drehte sie sich zu Castor und sagte ein Wort, das ich aus ihrem Mund noch nie gehört hatte. Mein Vater sah schwer getroffen aus. Castor gestikulierte empört und fragte sich, warum er sich die ganze Mühe gemacht hatte.
    Zum ersten Mal, seit wir denken konnten, waren wir Weihnachten alle zusammen und wurden sofort mit der Nachricht überfallen, dass im Hotel jemand gestorben sei. Wir werden an der Beerdigung in der Stadt teilnehmen. Mein Vater erfuhr natürlich als Erster davon, hat aber keinen Schimmer, wer der Tote ist.
    »Typisch für diese Familie«, sagt meine Mutter. »Wir gehen auf eine Beerdigung, wissen aber nicht, von wem.«
    Das Hotel ist proppenvoll. Ich beobachte, wie eine Frau in dem ausladendsten Pelzmantel, den ich je gesehen habe, unauffällig zu dem Hotelpagen hinüberwandert und ihm im Vorbeigehen einen Tritt verpasst. Nach dem stumpfen Blick des Pagen zu urteilen, macht sie das wohl öfter.
    Mein Vater streift in der Lobby herum, unterhält sich mit den Leuten und horcht sie nach Strich und Faden aus. Er spricht ein ganz passables Deutsch und Französisch und entlockt den Leuten, womit sie ihr Geld verdienen, wie viel sie verdienen und warum sie in diesem Hotel abgestiegen sind. Ich entdecke ihn in der Nähe der riesigen Eingangstüren. Dort bearbeitet er einen Dicken aus einem Land, wo man begeistert Wildleder trägt.
    »Hast du eine Ahnung, wer gestorben ist?«, frage ich Onkel Bishop. Er sitzt am Billardtisch, in eine Zeitschrift über die Königshäuser Europas vertieft und einen Ausdruck höchsten Abscheus im
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