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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Autoren: Sonia Marmen
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war, lebte fern von Glencoe, friedlich und von der Liebe umgeben, die es verdiente, dessen hatte ich mich versichert.
    Aber wo blieb Alexander? Ich musste ihn unbedingt sehen …

2
Per mare, per terras, ne obliviscaris 10
    Alexander, der niedergeschlagen auf einem Kiefernast saß, hatte seinen Bruder nicht kommen gehört. Das Knacken von Kiefernnadeln riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Komm da herunter, Alas!«, befahl John. »Großmutter verlangt nach dir.«
    »Ich kann nicht …«
    »Alas«, versetzte John ungeduldig und versuchte ohne allzu viel Erfolg, den Baum zu schütteln. »Du musst mitkommen, Herrgott! Sie fragt nach dir. Großmutter wird sterben, du Dummkopf! Komm herunter!«
    Schniefend wischte Alexander sich die Nase mit dem Ärmel ab und ließ sich widerstrebend herab, aus seinem Versteck zu springen. John warf ihm einen verärgerten Blick zu, drehte sich auf dem Absatz um und ging voran. Ein metallisches Aufblitzen zog Alexanders Aufmerksamkeit auf sich, und er erkannte den Gegenstand wieder, den sein Bruder über die Schulter gehängt trug. Er setzte ihm nach, packte ihn und zwang ihn, sich umzudrehen.
    »Wo hast du das her?«, verlangte er zu wissen und wies mit dem Finger darauf. »Das ist doch Großvaters Pulverhorn!«
    »Großmutter hat es mir geschenkt. Für dich hat sie auch etwas, reg dich nur nicht auf. Komm schon! Du bist der Einzige, der sich noch nicht von ihr verabschiedet hat.«
     
    Der junge Alexander stand in einer dunklen Ecke und betrachtete die kleine Frau mit der wächsernen Haut, die von ihrer Familie voller Sorge und Liebe umhegt wurde. Die Frau, die man einst die »irische Kriegerin« genannt hatte, schien kurz davor zu stehen, ihren letzten Kampf zu verlieren. Angst zog ihm mit einem Mal den Magen zusammen: Seine Großmutter Caitlin lag im Sterben. Eine dicke Träne rollte über seine Wange. Rasch zerdrückte er sie mit dem Ärmelaufschlag und überprüfte, ob jemand ihn weinen gesehen hatte. Aber alle ignorierten ihn, wie immer, seit er in das verfluchte Tal zurückgekehrt war. Nun ja, seine Großmutter Caitlin vielleicht ausgenommen. Aber sie würde heute von ihm gehen und ihn allein, ganz allein mit seinen Problemen lassen…
    Seine Brüder und seine Schwester gingen einer nach dem anderen gramgebeugt hinaus, nachdem sie einen Moment am Bett ihrer Ahnfrau verweilt hatten. Nur Duncan und Marion waren noch da; Letztere tupfte der Sterbenden die Stirn ab. Caitlins Haut war entsetzlich grau, und sie atmete mühsam. Aber sie war noch bei Bewusstsein. Sie spürte, dass ihr jüngster Enkel im Dunkel stand, wandte sich ihm zu und lächelte sanft.
    »Alas …«, flüsterte sie schwach und streckte ihm eine Hand entgegen. »Mein großer Alasdair, komm her zu mir …«
    Der Junge wagte sich nicht zu rühren. Er hatte Angst, das nahe Ende könnte den liebevollen Blick seiner Großmutter verändert haben. Er spürte, dass der Tod sie umschlich und auf den richtigen Moment wartete, um sich Caitlins Körper zu bemächtigen. Des Körpers einer Frau, der Sanftheit, Wärme und Sicherheit bedeutete. Ein weiches Nest für ein Kind oder eine verletzte Seele. Ob Mutter, Großmutter oder Schwester, für ihn war eine Frau ein Zufluchtsort, an dem er seinen Lebensüberdruss vergaß. In ihren Armen, die sich zärtlich um seine unglückliche Seele schlangen, ihrem wunderbaren Duft und ihrer melodischen Stimme fand er Schutz vor allem Übel auf der Welt.
    Wenn er, was selten vorkam, eine Kirche besuchte, betrachtete er aufmerksam und forschend die Statue der Muttergottes, der Frau, die Jesus Christus auf die Welt gebracht hatte. Der Sohn Gottes, dieser Mann, den alle verehrten … hatte er Maria wirklich als seine Mutter betrachtet? Als Kind hatte er es bestimmt geliebt, sich in ihre warmen Arme zu schmiegen. Und sicherlich hatte er sich gewünscht, ihre Umarmung zu spüren, als der Schmerz seines Opfers seinen Höhepunkt erreichte, die Grenze, an der sein gepeinigter, menschlicher Körper ihn nicht mehr aushielt. Natürlich, anders hätte es gar nicht sein können.
    »Alas…«, rief sein Vater mit einem harten, ungeduldigen Unterton.
    »Ja, Vater, ich komme schon …«, murmelte der Junge und trat zögernd zu der Sterbenden.
    »Komm näher, Alas, und hab keine Angst… Ich bin immer noch deine gute alte Großmutter, weißt du.«
    Alexander kniete nieder, nahm Caitlins zitternde Hand und vermochte das Schluchzen, das ihm die Kehle zuschnürte, nicht länger zu unterdrücken. Duncan stand auf und
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