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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konzentrierte sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe. Was sie tat – was sie alle taten – war ein Risiko, aber sie war sich seiner Größe durchaus bewusst. Und der Preis lohnte den Einsatz.
    Irgendetwas geschah. Wie immer, wenn sie Mitglied des Beschwörungskreises war, sah sie selbst nichts als flirrende Schatten und ein ungewisses Huschen, unmittelbar im Zentrum des imaginären Kreises aus zusammengekauerten Menschenleibern. Aber sie hörte das überraschte Murmeln der übrigen Zuschauer und sah, wie sie angstvoll hinter die Säulen zurücktraten, die das Dach des Saales trugen. Einige verließen sogar den Beschwörungssaal ganz.
    Nur Mereda rührte sich nicht, auch wenn die Schmerzen in ihren Finger- und Zehenspitzen immer heftiger wurden und sich auch unter den anderen Mitgliedern des Kreises Unruhe und schließlich Nervosität auszubreiten.
    Im Grunde war es wohl nur Trotz, der sie zwang, auszuharren. Sie würde den anderen beweisen, wie stark sie war. Vor allem Carda, der Kreisversteherin, die klein und verhutzelt auf der anderen Seite des Kreises stand und magische Worte murmelte; mit dünner, tonloser Stimme und halb geschlossenen Augen, trotzdem aber wach. Mereda wusste, dass ihr kein Anzeichen von Schwäche entgehen würde. Bei keinem. Und vor allem bei ihr nicht. Carda und sie waren nicht unbedingt das, was man Freundinnen hätte nennen können. Mereda hatte vom ersten Moment an Angst vor der Alten gehabt; und sie hatte gespürt, dass Carda sie vom allerersten Moment an gehasst hatte. Vielleicht, weil sie spürte, welches Potenzial in Meredas Seele schlummerte. Wenn überhaupt, war sie wohl die einzige Konkurrentin, die Carda überhaupt zu fürchten hatte.
    Die Kreisversteherin begann sich jetzt mit sonderbaren, schlängelnden Bewegungen zu drehen und zu winden, ohne jedoch die Hände der rechts und links von ihr hockenden Adepten loszulassen. Der Assyr-Kristall, der blau und leuchtend auf ihrer Brust lag, war von einem ungezähmten, inneren Feuer erfüllt, das so stark aufflammte, dass es auf die Assyr-Kristalle der anderen Kreismitglieder übergriff und diese zu höchsten Anstrengungen trieb.
    Bei jedem Wort, das die alte Zauberin ausstieß, bohrte sich ein dünner, glühender Schmerz immer tiefer in Meredas Leib. Sie stöhnte voller Qual und krampfte die Hände so heftig zusammen, dass auch der neben ihr hockende Mann aufsah und schmerzhaft das Gesicht verzog.
    Dann spürte sie …
    Ja – was eigentlich?
    Es war wie eine Stimme, die lautlose Worte flüsterte, nein, nicht Worte, sondern … Wissen. Plötzlich wusste sie, dass sie in Gefahr war. In Gefahr zu sterben oder ein schlimmeres Schicksal zu erleiden, wenn sie den Kreis nicht verließ. Es gab keinen Zweifel an diesem Wissen.
    Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob Carda die Magie des Kreises als Waffe gegen sie einsetzen wollte, so verrückt diese Idee auch war. Aber das gleiche Wissen, dem sie ihre Warnung verdankte, sagte ihr auch, dass es nicht so war. Nicht nur sie war in Gefahr. Die Energien, die sich als wabernde Schatten im Zentrum des Kreises bildeten, waren ungeheuerlich. Und sie waren destruktiv.
    Gegen ihren Willen empfand sie Achtung vor Carda, die fast allein diese ungeheuerlichen finsteren Mächte bändigte – und zugleich eine fürchterliche Angst.
    Mit einem Ruck stand sie auf, löste die Hände aus denen ihrer Nebenmänner und verließ den Kreis. Für einen Moment geriet Cardas Winden und Drehen aus dem Takt; zornige, aber auch abfällige Blicke trafen sie, als sie einen Schritt zurückwich und hoch aufgerichtet stehen blieb. Mereda spürte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Am liebsten wäre sie auf der Stelle herumgefahren und aus dem Saal, ja, aus der Stadt gestürmt, um sich irgendwo zu verkriechen. Sie war feige gewesen. Trotzdem blieb sie nur knapp außerhalb des Kreises stehen, obwohl sie die hämischen Blicke der anderen wie glühende Messer zu spüren glaubte.
    Mereda zwang sich, nicht mehr an ihre Schmach zu denken, sondern versuchte die sich überschlagenden Gedanken der anderen wahrzunehmen. Sie war weit davon entfernt, anderer Gedanken lesen oder gar beeinflussen zu können, wie man es von Carda munkelte. Aber sie vermochte doch Stimmungen wahrzunehmen, Furcht sowie Freude, Entsetzen wie höchste Glückseligkeit zu unterscheiden.
    Sie spürte die Unsicherheit der anderen – aber auch die Verachtung, die sie für ihr Tun empfanden. Bei vielen eine gehässige Befriedigung. Es war allen bekannt,
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