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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schillernden, öligen Belag bedeckt, der einen bestialischen Gestank verströmte. Eine der mächtigen Säulen ragte in bizarrer Weise verkrümmt gegen die Decke, von der in feinen Fäden Staub und Verputz rieselten. Dort, wo der Kreis gestanden hatte, war der Boden verbrannt, mehr noch, geschmolzen und zu matt blinkendem, schwarzem Glas erstarrt. Die Mitglieder des magischen Kreises waren spurlos verschwunden.
    An der Stelle, an der Carda gestanden hatte, gähnte jetzt ein flacher, mit glasig erstarrter Lava gefüllter Krater, als hätten sich die verheerenden Energien des Ancen-Dämons dort mit besonderer Wut entladen.
    Vielleicht, dachte Mereda schaudernd, war es einfach Glück gewesen, dass der Kampfdämon der verhassten Feinde sich im ersten Moment auf die alte Kreisversteherin konzentrierte, die er ganz instinktiv als die gefährlichste Gegnerin eingeschätzt haben musste. Hätte er die entsetzlichen Kräfte, die Carda verschlungen hatten, direkt auf sie gerichtet, dann wäre auch von der Adeptin Mereda jetzt nichts mehr geblieben als ein verspiegelter flacher Krater im Boden.
    Dann sah sie etwas, was sie für einen Moment selbst ihr Entsetzen vergessen ließ.
    Auf der ihr zugewandten Seite des verbrannten Steinkreises, dort, wo sie gelegen haben musste, ehe Xird sie fand und fortschleifte, war ein Flecken des Bodens nicht verbrannt. Ein Fleck, der ziemlich genau die Umrisse eines menschlichen Körpers hatte.
    Ihres Körpers …
    »Mereda.« Xird legte besorgt die Hand auf ihren Arm und die Berührung und die Worte der Alten riefen Mereda wieder in die Gegenwart zurück. Sie schüttelte die alte Dienerin von sich ab, stand auf und drehte sich zu den überlebenden Mitgliedern des Kreises um, den Adepten, die nur zuschauen durften; so wie sie. Die nicht im Kreis gewesen waren, als der Kampfdämon angriff …
    Sie las nichts als Angst und Wahnsinn in den weit aufgerissenen Augen der zumeist noch sehr jungen Männer und Frauen; einen Schrecken, der tiefer war als alles, was ein Angehöriger des Conden-Turmes jemals empfunden hatte. Mereda fühlte Mitleid in sich aufsteigen, Mitleid mit diesen Knaben und Mädchen, die kaum die Schwelle zum Erwachsensein überschritten hatten.
    Und das sind also alle, dachte sie matt. Ein Dutzend Kinder, auf deren Schultern nun in Zukunft das Schicksal eines ganzen Volkes ruhen soll. Und sie selbst, kaum an der Schwelle angelangt, hinter der ihre wahre Begabung lag, sie selbst würde nun die Stelle Cardas einnehmen müssen, mit allen Pflichten und Verantwortungen. Sie hatte es sich gewünscht. Oh, wie sehr hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt, in ihren Träumen und Hoffnungen, den Moment, in dem sie, Mereda, die Kreisversteherin war, die Herrin des Conden-Turmes und uneingeschränkte Beherrscherin seines Volkes.
    Jetzt spürte sie nichts als Entsetzen. Sie las das stumme Flehen in den Augen der Adepten, die mit Angst gemischte Hoffnung, mit der das Dutzend Kinder sie ansah, und sie fühlte nichts als eine große, entsetzlich kalte Leere. Wie sollte sie diese Last tragen, allein, ohne Lehrmeisterin, ohne jemanden, der ihr sagte, was sie tun sollte? Am liebsten hätte sie geweint. Aber nicht einmal mehr das durfte sie. Sie musste Stärke zeigen.
    Vielleicht, dachte sie müde, hatte es so kommen müssen. Allein der Starrsinn der Kreismitglieder hatte zu dieser Beschwörung geführt, die so entsetzlich geendet hatte. Weder Carda noch die anderen hatten erkennen wollen, dass ihre Zeit vorbei war. Bis es ihnen auf grauenhafte Weise verdeutlicht worden war.
    Obwohl Mereda tief in ihrem Innern einen bohrenden Schmerz über die Niederlage des Magierkreises des Turmes – ihres Turmes – empfand, galt diese Trauer nicht den Leuten, die in ihren Augen für diese Schmach verantwortlich waren, sondern allein der Idee, die sie verkörpert hatten. Ganz egal, was geschah, der Conden-Turm musste weiter bestehen.
    Mit einer knappen Bewegung winkte sie Xird an ihre Seite. »Rufe Madur zu mir«, sagte sie. »Er muss noch heute mit seinen Sree aufbrechen und den Ancen-Turm angreifen.«
    »Heute?« Xirds Gesicht spiegelte Unglauben, dann Schrecken. »Aber Mereda … Herrin! Nach allem, was -«
    »Gerade nach dem, was geschehen ist«, unterbrach sie Mereda, hart und ganz bewusst so laut, dass alle anderen ihre Worte verstehen mussten. »Sie halten uns für geschlagen. Für gelähmt vor Schrecken. Wir dürfen ihnen keine Chance geben, den Schlag, den sie uns versetzt haben, auszunutzen. Sie werden
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