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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesen Schritt, so wenig wie seine elf Brüder, die neben und hinter ihm auf der Lauer lagen. Sie waren nicht hier, um zu kämpfen, sondern nur, um zu wachen. Der Befehl des Meisters war eindeutig gewesen; sie durften die Straße unter keinen Umständen betreten. Alles, was sie zu tun hatten, war, dafür zu sorgen, dass niemand die schmale Gasse verließ.
    Ein leises, schleifendes Geräusch drang in Grodekerks Gedanken und ließ ihn jäh auffahren.
    Vor ihm bewegte sich etwas. Er konnte nicht ausmachen, was es war – es war groß und finster und massig, schwarz. Und es kam näher.
    Hendrik Grodekerk spannte sich. Plötzlich war die Furcht verschwunden, als jahrzehntelang antrainierte Reflexe und Disziplin die Herrschaft über seinen Körper und Geist übernahmen. Der schlanke Mann in dem weißen Mantel verwandelte sich von einer Sekunde auf die andere in einen tödlichen Krieger.
    Und trotzdem kam seine Reaktion zu spät.
    Er sah den Schatten neben sich und registrierte entsetzt, dass es einer seiner Brüder war, der hinter seiner Deckung aufsprang und mit gezücktem Schwert auf den schwarzen Umriss zusprang. Er schrie eine Warnung und federte hoch, aber er war zu langsam.
    Seine ausgestreckte Hand griff ins Leere; der Bruder jagte mit weit ausgreifenden Schritten an ihm vorbei, schwang seine Klinge und stieß ein wütendes Heulen aus.
    Dann verschwand er in der Gasse. Sein Schatten verschmolz mit dem großen, umrisslosen Ding, das Grodekerk gesehen hatte, und plötzlich wurde die Stille von klatschenden Schlägen unterbrochen, dann einem Schrei und schließlich einem schauderhaften, knirschenden Laut.
    Grodekerk schluckte einen Fluch herunter, schob seine letzten Bedenken beiseite und jagte dem Bruder nach, die warnenden Rufe der anderen hinter sich ignorierend. Mit zwei, drei Sätzen war er bei ihm, hob kampfbereit sein Schwert – und erstarrte.
    Der Bruder war tot. Er lag, grotesk verkrümmt und mit unnatürlich weit in den Nacken gebogenem Kopf, auf dem mit Unrat übersäten Boden, das Schwert noch in der verkrampften Hand und einen Ausdruck ungläubigen Staunens auf den Zügen.
    Und sein Mörder stand über ihm.
    Der Mann war nicht sehr groß. Trotz der Dunkelheit konnte Grodekerk erkennen, dass seine Haut tief braun und das Haar, von dem nur eine Strähne sichtbar war, blond und leicht gewellt war. Er war ganz in ein schwarzes, bis über die Knöchel fließendes Gewand gekleidet, das nahtlos in den schwarzen Turban überging, der auf seinem Kopf thronte.
    »Keine Bewegung!«, brüllte Grodekerk. Gleichzeitig riss er sein Schwert hoch und führte einen mächtigen, beidhändig geführten Streich nach dem Schädel des Mannes.
    Der Schwarzgekleidete lachte, wich mit einem fast spielerischen Satz zur Seite – und verschwand.
    Hendrik Grodekerk registrierte die Gefahr im letzten Moment, aber die Bewegung, mit der er herumfahren und sein Schwert heben wollte, kam zu spät.
    Den Hieb, der ihn tötete, sah er nicht einmal mehr …
     
    Über den Dächern von Amsterdam ging die Sonne auf. Die Dämmerung hing noch wie ein Hauch dünnen, rauchigen Nebels in der Luft und verwischte die Konturen der Häuser und Straßenschluchten, aber das Licht der roten Morgensonne war schon jetzt kräftig genug, die Nacht zu durchdringen und aufzulösen. Selbst hier drinnen, hinter den geschlossenen Doppelscheiben des Fensters, glaubte ich die Wärme ihrer Strahlen wie ein sanftes Streicheln auf der Haut zu spüren.
    Es würde ein schöner Tag werden. Die wenigen Wolken, die sich an den Morgenhimmel dieses Julitages verirrt hatten, waren klein und weiß und das Wasser der Grachten tief unter mir glänzte wie geschmolzenes Gold. Die wenigen Kähne, die darauf fuhren, wirkten wie Spielzeugschiffchen aus der Höhe meines in der vierten Etage gelegenen Zimmers betrachtet.
    Ja – es würde ein schöner Tag werden, nicht nur für Amsterdam. Nach dem ungewöhnlich harten und langen Winter, mit dem das Jahr begonnen hatte, brach der Sommer nun mit doppelter Macht herein, als wolle er gutmachen, was sein kalter Bruder den Menschen zugefügt hatte.
    Und trotzdem spürte ich in mir nichts als Kälte. Kälte und ein Gefühl der Leere, das auf schwer in Worte zu fassende Weise wehtat.
    Mein Blick löste sich von dem trügerisch ruhigen Bild, das das erwachende Amsterdam bot, und saugte sich am östlichen Horizont fest. Natürlich war es Einbildung, dessen war ich mir vollends bewusst, aber für einen Moment meinte ich, einen dunklen, pulsierenden
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