Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Fleck in der Masse der Häuser zu erkennen, ein höllischer schwarzer Pfuhl, der wie das aufgerissene Maul eines steinernen Ungeheuers zuckte und bebte …
    Mit einem Ruck wandte ich mich vom Fenster ab, presste die Lider zusammen und zwang mich, an etwas anderes zu denken. Das Bild war nicht real. Es existierte nicht wirklich. Das mächtige Patrizierhaus, in dem ich mich aufhielt, befand sich nahezu am anderen Ende Amsterdams; Meilen um Meilen von der Van Dengsterstraat und dem Menschen mordenden Moloch entfernt.
    Und trotzdem kostete es mich unglaubliche Mühe, es zu vertreiben. Es war nicht dieses Bild, das mich ängstigte. Es war das Wissen, aus dem es geboren wurde.
    Ich trat vom Fenster zurück, ging unschlüssig zwei oder drei Mal durch das kleine, behaglich eingerichtete Zimmer und ließ mich schließlich auf die Bettkante sinken. Ich war nicht müde, sondern im Gegenteil von einer kribbelnden, unangenehmen Energie erfüllt; jenem sonderbaren Tatendurst, der manchmal willkürlich und ziellos auftritt und es einem unmöglich macht, still zu sitzen und nichts zu tun.
    Aber das Einzige, was ich im Moment tun konnte, war eben nichts.
    Seit nahezu sechsunddreißig Stunden war ich jetzt ein Gefangener dieses Zimmers. Nicht, dass ich Grund zur Beschwerde gehabt hätte – der Raum war wesentlich behaglicher und komfortabler eingerichtet als das Hotelzimmer, in dem ich meine ersten Nächte in dieser Stadt verbracht hatte, das Essen, das drei Mal am Tag von einem muskelbepackten und offenbar mit Taubstummheit geschlagenen Lakaien gebracht wurde, vorzüglich und das Regal neben der Tür bot eine exorbitante Auswahl kurzweiliger Bücher (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass sie in Holländisch abgefasst waren). Aber die Tür hatte eben an der Innenseite keine Klinke und der Diener, der auf jedes Klingeln binnen Sekunden erschien, hatte eine Statur, die selbst Rowlf davon abgehalten hätte, ihn angreifen und überwältigen zu wollen.
    Es war ein Gefängnis, wenn auch ein komfortables.
    Die ersten dreißig der besagten sechsunddreißig Stunden hatte ich vorwiegend damit verbracht, zu schlafen.
    Zwei weitere Stunden lang war ich zuerst wütend, dann ausfallend und schließlich hysterisch geworden und hatte mich als krönenden Abschluss in einer Art Amoklauf immer wieder gegen die Tür geworfen und mich damit vollends lächerlich gemacht.
    Und während der restlichen vier Stunden hatte ich gewartet. Ger Looskamp – von dem Dutzend Männer, die mich aus dem wild gewordenen Labyrinth gerettet hatten, war er der einzige, dessen Namen ich überhaupt kannte! – hatte mir versprochen, mich in alles einzuweihen, sobald die Zeit dazu reif war. Nur wann dieser Zeitpunkt sein würde, wusste ich nicht.
    Es gab in diesem Zimmer keine Uhr und mein Taschenchronometer hatte die Attacken des Labyrinthes nicht halb so gut überstanden wie ich, sodass ich die Zeit nur schätzen konnte. Aber wenn jetzt die Sonne aufging, dann musste ich gegen zwei oder drei Uhr nachts aufgewacht sein – eine Zeit, zu der ich normalerweise zu Bett zu gehen pflegte. Meine Ungeduld hatte mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das mich schon ernsthaft mit den Gedanken an eingeschlagene Scheiben und verwegene Sprünge aus dem vierten Stockwerk spielen ließ.
    Aber dazu war immer noch Zeit.
    Ich war vielleicht eine weitere halbe Stunde unruhig im Zimmer auf und ab gegangen, als draußen auf dem Korridor Schritte laut wurden und ich Stimmen vernahm. Sekunden später klopfte es an meine Tür und auf mein gemurmeltes »Bitte!« hin klirrte der Riegel und der vierschrötige Lakai blickte durch einen Spalt zu mir herein.
    »Mijnheer Mister Craven? Der Meister möchte Ihnen jetzt schaun, wenn Du sich ruhig geschlafen genügend vorkommst.«
    Gegen meinen Willen stahl sich ein flüchtiges Grinsen auf meine Lippen. Der Riesenkerl sprach das Englische fast ohne Akzent, aber mit dem orthografischen Feingefühl einer Dampframme. Ich nickte und folgte ohne ein weiteres Wort seiner einladenden Geste. Looskamp hatte neue Kleider neben meinem Bett bereitlegen lassen, aber ich glaubte kaum, dass ich Hut und Mantel jetzt brauchte.
    Vielleicht würde ich sie überhaupt nie wieder brauchen.
    Der Diener schloss pedantisch die Tür hinter mir, wiederholte seine auffordernde Handbewegung und ging vor mir den Korridor entlang.
    Trotz meiner Erleichterung, endlich aus dem Zimmer heraus zu sein, machte sich ein nagendes Gefühl der Beunruhigung in mir breit, während ich dicht hinter dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher