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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der Burschen und zerrte ihn am Kragen zurück. Er wehrte sich, aber der Zorn gab mir zusätzliche Kraft. Ich hielt ihn fest, schüttelte ihn kräftig durch und stieß ihn vor mir her in den Raum zurück. Der Mann kreischte, hob die Fäuste und versuchte nach mir zu schlagen.
    Ich versetzte ihm eine Maulschelle, die seinen Widerstand endgültig zerbrach.
    Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, begann er zu wimmern. »Nicht … mehr schlagen, Herr!«, keuchte er. »Bitte, nicht mehr schlagen.« Er begann zu weinen und verbarg das Gesicht in den Armen.
    Ich zerrte ihn hoch, drängte seine Arme auseinander und zwang ihn, mich anzusehen. »Keine Angst«, sagte ich, nicht mehr ganz so zornig wie bisher, aber noch immer in drohendem Ton. »Ich schlage dich nicht – aber ich will wissen, was hier gespielt wird, verdammt noch mal! Was soll das alles heißen?«
    Voller Angst hob mein Gegenüber den Blick. Er war weniger verkrüppelt als die meisten der Männer, die auf mich eingedrungen waren, aber seine Augen waren leer und seine Mundwinkel hingen schlaff herunter; Speichel rann über sein Kinn, ohne dass er es überhaupt bemerkte. Ich unterdrückte ein enttäuschtes Stöhnen, als mir klar wurde, dass ich einen Schwachsinnigen vor mir hatte.
    »Nicht mehr … schlagen, Herr«, wimmerte er. »Floyd nicht mehr böse sein. Floyd nur Angst.«
    »Floyd?«, wiederholte ich, nun schon weit weniger scharf als bisher. »Ist das dein Name?«
    Er nickte, zog lautstark die Nase hoch und sah mich mit einer sonderbaren Mischung aus Furcht und – ja, und was, eigentlich? – an. Etwas in seinem Blick ließ mich schaudern. Es war nicht nur der Blick eines Schwachsinnigen. Er sah mich an, als … als kenne er mich. Und es war ein Erkennen, das mit Furcht gepaart war …
    »Hör mir zu, Floyd«, sagte ich leise. »Ich tue dir nichts, bestimmt nicht.« Ich versuchte zu lächeln. »Ich bin dein Freund, weißt du?«, fuhr ich fort. »Aber du musst mir verraten, was hier geschehen ist. Warum habt ihr mich angegriffen? Ich habe euch nichts getan.«
    »Nicht … mehr schlagen, Herr«, wiederholte Floyd, als hätte er meine Frage gar nicht gehört. »Floyd ist ein lieber Junge.«
    Ich seufzte. Es sah nicht so aus, als würde ich viel aus meinem Gefangenen herausbekommen. Zumindest nicht auf diese Weise.
    Einen Moment zögerte ich noch. Der Gedanke an das, was ich tun musste, gefiel mir nicht. Ich habe es stets verabscheut, den Geist anderer Menschen zu missbrauchen, ihnen meinen Willen aufzuzwingen; es ist nicht fair, mit übersinnlichen Kräften gegen einen normalen Menschen vorzugehen. Aber es ist auch nicht gerade fair, zu zwölft über einen Wehrlosen herzufallen und ihn tot schlagen zu wollen.
    »Sieh mich an, Floyd«, sagte ich. Er begann zu wimmern und wollte wieder die Hände vor das Gesicht heben, aber ich hielt seinen Blick fest. Seine Augen schienen zu flackern.
    Dann brach sein Widerstand.
    »Du verstehst mich?«, fragte ich.
    Floyd nickte. »Ich verstehe Sie, Herr«, antwortete er. Seine Stimme klang mit einem Male sonderbar flach.
    »Dann beantworte meine Frage«, sagte ich. »Warum wollten mich diese Männer töten?«
    »Angst«, sagte Floyd. »Alle Angst. Alle sagen, Herr tot und Herr niemals wiederkommen. Jetzt sehen.«
    »Zum Teufel, was soll das heißen?«, schnappte ich. »Ich war in meinem ganzen Leben noch nie …« Ich sprach nicht weiter, als ich das neuerliche Aufflammen von Angst in seinem Blick sah. Trotz des suggestiven Bannes brodelte er innerlich vor Furcht.
    »Ihr habt also Angst vor mir?«, fuhr ich wesentlich freundlicher als bisher fort.
    Er nickte. »Viele Geschichten über Herr. Aber Herr tot, und jetzt …«
    Hinter meinem Rücken fiel die Tür krachend ins Schloss. Ich fuhr zusammen, drehte mich rasch herum und war für einen Moment abgelenkt.
    Floyd schrie auf, stieß mir die Hände in den Rücken und stürmte an mir vorbei. Ich taumelte, fiel über einen zerbrochenen Schemel und schlug ziemlich unsanft mit dem Gesicht auf dem Boden auf.
    Als sich die flimmernden Kreise und Punkte vor meinem Blick lichteten, fiel die Tür ein zweites Mal ins Schloss, und das Letzte, was ich von Floyd sah, war ein verzerrter Schatten, der draußen vor dem Fenster vorbeihuschte.
    Enttäuscht stemmte ich mich hoch. Einen Moment überlegte ich, ob ich zur Theke zurückgehen und warten sollte, bis der Wirt aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, entschied mich aber dann dagegen und wandte mich zur Tür.
    Es begann bereits
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