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Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Titel: Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Autoren: Manfred Koch
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überhaupt immer misstrauischer gegenüber Fremden. Lässt niemand an sich heran. Aber was soll ich machen? Ich kann sie ja nicht zwingen. Will ich auch gar nicht. Jetzt kümmere halt ich mich um sie, so gut es geht. Aber in letzter Zeit hab ich das Gefühl, dass sie sogar mich nicht mehr erkennt. Dann schaut sie mich an, als würde sie Angst vor mir haben. Und manchmal hält sie mich für meinen Vater. Und dauernd rennt sie wo dagegen. Seit ein paar Tagen hat sie einen riesigen Bluterguss auf der Stirn, aber sie weiß nicht mehr, wo sie ihn sich geholt hat. Das ist doch nicht normal, oder?“
    „Scheiße.“
    „Du sagst es.“
    Wagner trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse ab. Die Tür wurde geöffnet, Leute kamen herein, grüßten und gingen weiter in den anschließenden Gastraum. Christina stand auf.
    „Ich muss jetzt leider. Unsere Mittagsgäste sind da.“
    „Klar. Ich muss auch weiter. Hab Mutter versprochen, dass ich heute zu ihr komme. Will versuchen, dass ich doch irgendwas am Haus machen kann, bevor es zusammenfällt.“
    „Na, so schlimm wird’s wohl nicht sein.“
    „Nein, aber irgendwann muss ich ja damit anfangen. Ist mein Urlaubsprogramm. Wär’ ja schade um das Haus.“
    „Willst du dort einziehen?“
    „Möglich. Aber nicht, solange Mutter lebt. Später vielleicht.“
    „Tja, wär’ sicher schön.“
    „Mal sehn.“
    Wagner stand auf und deutet auf die leere Kaffeetasse.
    „Was bekommst du?“
    „Lass nur. Geht aufs Haus.“
    Wagner machte eine leichte Verbeugung.
    „Danke. War schön, dass ich dich wiedergesehn hab.“
    „Ja. Find’ ich auch.“
    „Pass auf dich auf.“
    „Du auch. Und komm doch einmal wieder auf einen Kaffee vorbei.“
    „Mach ich vielleicht. Also dann.“
    „Also dann.“
    Chris, Chris, Chris. Wagner war wie benommen, als er wieder auf sein Fahrrad stieg. Vielleicht war der Tag doch kein so beschissener Tag, wie er begonnen hatte. Vielleicht war er sogar ein richtig guter Tag, der nur vorführen wollte, welche Umwege das Glück nimmt. Ohne den Wutanfall über die Zeitung hätte Wagner nie seine Kaffeetasse zerschlagen, wäre nie auf die Idee gekommen, in den Lindenwirt zu gehen, und hätte Christina nie wieder gesehen. Verrückt, einfach verrückt. Wer weiß, welche Überraschungen der Tag noch bereithielt.
    Wagner fühlte sich leicht. So eine Leichtigkeit hatte er schon lang nicht mehr in sich gespürt. Und deshalb machte es ihm auch kaum etwas aus, dass seine Mutter in einem grässlichen geblümten Sommerkleidchen aus den Fünfzigerjahren in der Küche saß und ihm zur Begrüßung ihre mit knallrotem Lippenstift beschmierten Lippen auf die Wange drückte. Ja, er fand es sogar fast zum Lachen, als sie ihn mit strahlenden Augen ansah und fragte, ob er sie und die Kinder jetzt in die Konditorei einladen würde, auf eine Torte und ein Eis, denn schließlich sei doch Sonntag, und Julia und Klaus würden sich doch schon den ganzen Tag darauf freuen. Und auch, dass sie ins Schlafzimmer ging, um noch ihre Handtasche zu holen, und dann nicht mehr zurückkam, sondern friedlich schlafend auf dem Bett lag, als er nach zehn Minuten nach ihr sah, fand er einfach nur komisch. Offensichtlichging es seiner Mutter gut, also, was soll’s, ihm ging es ja auch gut.
    Jetzt konnte er wenigstens ungestört im Garten arbeiten. Er holte einen Spaten aus der Hütte hinter dem Haus, zog sein Hemd aus und machte sich daran, einen halb abgestorbenen Holunderstrauch auszugraben. Mit irgendwas musste er ja anfangen. Er hatte sich das leichter vorgestellt. Der Boden war hart, die Wurzeln waren zäh und reichten tief ins Erdreich, und er war diese Arbeit nicht gewohnt. Wenn er den Spaten in den Boden stieß, prallte die Spatenspitze immer wieder mit einem gellenden Geräusch an einem der großen Steine ab, die knapp unter der Oberfläche verborgen lagen. Dann blieb Wagner nichts anders übrig, als sich hinzuknien, mit bloßen Händen tief in die Erde zu wühlen und so den Stein herauszuholen. Eine mühsame, dreckige Arbeit. Eine Kräfte zehrende Plackerei, die kein Ende zu nehmen schien. Nach zwei Stunden gab er auf, schweißüberströmt und mit Blasen an den Händen. Egal, morgen war auch noch ein Tag. Im Laufe der Zeit würde er es schon schaffen.
    Er wusch sich in der Küche, trank gierig ein paar Gläser Wasser und zog sich wieder an. Seine Mutter schlief noch immer. Wagner öffnete den Kühlschrank. Gut, von den Gemüse- und Fischpackungen, die er letzte Woche gebracht hatte,
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