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Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Titel: Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Autoren: Manfred Koch
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A ls sie aufwacht, spürt sie, dass sie allein ist. Da ist nichts, kein Geräusch, keine Stimme, kein warmer Atem. Keine Menschenseele, der sie sagen kann, dass die Dunkelheit ein Tier ist, das auf ihrem Gesicht liegt und auf ihrer Brust. Eine Katze, eine große schwarze Katze, die sie gefangen hält. Ein riesiges Katzenungeheuer, das sie mit seinem ganzen Gewicht zu Boden drückt und seine Krallen in ihren Rücken bohrt. Und dass sie nachhause möchte, nachhause zu Mam und Dad. Vorsichtig unter der Katze hervorkriechen und dann aufspringen und losrennen, wenn ihr die Katze nicht bei jeder Bewegung die Krallen tiefer in den Rücken bohren würde, immer tiefer und tiefer, und dass das so weh tut, so furchtbar weh.
    Irgendwer sollte jetzt bei ihr sein, irgendwer, am besten Mam. Mam würde sie in die Arme nehmen wie früher, als sie noch ein kleines Kind war, und dann würde sie die Schmerzen wegblasen, einfach wegblasen. Und Mam würde ihr sagen, wo sie hier eigentlich ist, und woher dieser Geruch nach faulen Äpfeln kommt, nach Schimmel und nach Erbrochenem. Und wieso ihr so kalt ist, so entsetzlich kalt, als wäre ihr Körper ganz mit Eiswasser gefüllt, und warum sie ihre Beine nicht mehr spürt, beide Beine wie tot, einfach weg, wie aufgefressen von der großen schwarzen Katze.
    Aber da ist nichts, so sehr sie auch in die Stille hineinhorcht und in die Dunkelheit starrt. Nur diese Bilder sind da, immer wieder diese Bilder. Das zu einer teuflisch grinsenden Fratze verzerrte Gesicht des alten Mannes. Die Totenmasken von der jungen Frau und dem Kind. Abgeschnittene Hundeköpfe. Gehirne undHerzen und Augen, hunderte Augen, die in einer gelben Flüssigkeit schwimmen. Die brennende Katze. Und immer wieder das Gesicht des Mannes und sein teuflisches Grinsen. Kein höllisches Gelächter, nur dieses lautlos triumphierende Grinsen eines stummen Dämons.
    Mam würde machen, dass sie weggehen. Dass sie verschwinden, diese Bilder und dieser bittere Geschmack nach Mandeln und Blut in ihrem Mund und das schwarze Katzenungeheuer, das immer schwerer wird und ihr die Brust zusammenpresst, sodass sie kaum mehr atmen kann. Mam würde ihr sagen, dass alles nur ein böser Traum ist. Auch der Körper, an den sie plötzlich mit ihren Fingerspitzen gestoßen ist, als sie vorsichtig ihre Hand zur Seite ausgestreckt hat, dieser Körper und dieses Gesicht, das sich so kalt und leblos anfühlt, wenn sie es berührt. Dass das nicht der Körper von Sandra ist, nicht das Gesicht ihrer besten Freundin, würde Mam sagen. Dass sie sich das alles nur einbildet und dass sie keine Angst haben muss, weil in Wirklichkeit alles gut ist, alles wieder gut.
    Und auf einmal ist da ein Licht, ein schmales, hell erleuchtetes Rechteck oben am Ende einer steilen Treppe. Und in diesem Licht steht eine Gestalt, reglos und dunkel wie ein Schatten. Mam, flüstert sie. Mam? Doch nach wenigen Augenblicken verschwindet die Schattengestalt, und das Licht erlischt.
    Wieder nur Dunkelheit und Stille und Kälte und die Krallen in ihrem Rücken. Plötzlich weiß sie, was sie gesehen hat, war nicht Mam. Diese Schattengestalt war er. Niemand anderer als er. Er, der ihr jetzt zeigt, wer er in Wirklichkeit ist. Er, der Mann mit dem teuflischen Grinsen. Er, der sie jetzt in seiner Gewalt hat, gefangen in seinem Reich der Finsternis. Jetzt gibt es kein Entkommen mehr.
    Nein, das ist nicht nur ein böser Traum, aus dem sie aufwachen wird. Das ist die Wirklichkeit. Sie hätten es wissen müssen. Sie hätten nicht tun dürfen, was sie getan haben, sie und Sandra. Siehätten die Grenze nicht überschreiten sollen. Dabei war alles doch nur ein Spiel. Nichts als ein Spiel, am Anfang jedenfalls.
    Wenn sie seinen Namen wüsste, würde sie ihn rufen, den Herrn der Finsternis, den Dämon der Schatten. Würde zu ihm beten und ihn um Vergebung bitten und um Gnade. Du musst ihn bei seinem Namen rufen, hat man ihr einmal gesagt, daran erinnert sie sich, nur wer ihn bei seinem Namen ruft, wird von ihm erhört. Baileys. Wie aus dem Nichts taucht dieses Wort auf. Baileys. Sie sieht es ganz klar vor sich, in großen, hellen Buchstaben. Baileys.
    Vergib uns, Baileys, betet sie, und sie hat keine anderen Worte, kein anderes Gebet, vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von allem Übel, denn dein ist die Macht und die Herrlichkeit. Und dass er die große schwarze Katze von ihr wegnehmen soll, darum fleht sie ihn an,
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