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Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Titel: Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Autoren: Manfred Koch
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Verpflichtung. Ein Lebenswerk, an dem sich gefälligst auch sein Sohn zu beteiligen hatte. Aber das hatte bloß dazu geführt, dass Wagner im Laufe der Zeit das Haus mehr und mehr nur noch als Belastung empfunden und irgendwann das Interesse daran völlig verloren hatte.
    Außerdem war es für ihn unerträglich gewesen, mit ansehen zu müssen, wie bedingungslos sich Mutter seinem Vater untergeordnet, ja geradezu unterworfen hatte. Nur Vaters Meinung hatte gegolten, nur was er gesagt und getan hatte, war richtig gewesen. Und deshalb hatte Wagner schließlich auch die Besuche bei seinen Eltern auf Pflichttermine wie Weihnachten und Geburtstage beschränkt.
    Erst seit dem Tod seines Vaters sah Wagner wieder öfter nach seiner Mutter. Und wenn er dann manchmal noch ein wenig allein im Garten saß, die frische Luft und die Kühle und Stille des Abends genoss, bevor er wieder zurück zu seinem Wohnblock fuhr, kam ihm immer häufiger der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so übel wäre, hier im Grünen irgendwann wieder zuhause zu sein. Später einmal, als Pensionist, in vier, fünf Jahren vielleicht. Doch wenn das Haus bis dahin nicht völlig heruntergekommen sein sollte, musste er möglichst bald damit anfangen, etwas dagegen zu unternehmen. Und genau das wollte Wagner in seinem Urlaub tun.
    Aber statt loszufahren und das herrliche Frühsommerwetter für die Arbeit im Garten zu nützen, musste er jetzt erst einmal mit Bergen von Küchenkrepp den verschütteten Kaffee aufwischen und dann, auf Knien über den Küchenboden rutschend, vorsichtig alle Scherben auflesen, in der Hoffnung, seine Lieblingstasse irgendwie doch wieder zusammenkleben zu können. Obwohl das absolut lächerlich war, denn im Grunde war die Tasse völlig wertlos. Nichts als ein dunkelrot glasiertes, plumpes Stück Dutzendware aus Steingut, auf dem sein Vorname stand, und das er für wenig Geld nachkaufen konnte. Aber die Tasse war das erste Geschenk, das er von Christina bekommen hatte, damals, als sie noch frisch verliebt und glücklich gewesen waren. Und dass diese Tasse jetzt ebenso in die Brüche gegangen war wie seine Beziehung mit Christina, das tat Wagner weh. Ein grauer Schleier würde nun über dem ganzen Tag liegen. Und schuld daranwar nichts als diese idiotische Schlagzeile auf der Titelseite der Zeitung!
    Er legte die Scherben auf den Küchentisch und versuchte die Teile zusammenzufügen. Ein Stück fehlte. Als er wieder auf allen Vieren über den Boden kroch und unter den verstreuten Zeitungsseiten nach dem kleinen, roten Puzzleteilchen suchte, blieb sein Blick erneut an der Schlagzeile hängen. Er hockte sich hin, und mit einer Mischung aus Neugier und Ärger begann er nun doch alles zu lesen, was sich die Zeitungsschreiber aus den Fingern gesogen hatten, um damit den Verkauf ihres Schmierblattes zu steigern.
    Es war der übliche sensationsgeile Schwachsinn, der sich als Aufdeckungsjournalismus ausgab. Seitenweise Unterstellungen, Mutmaßungen und Halbwahrheiten, die zu einer ungeheuerlichen Horrorgeschichte zusammengekleistert worden waren. Nichts fehlte, was Grauen und Abscheu erregen oder auf die Tränendrüsen drücken sollte.
    Fast die ganze erste Seite nahmen natürlich die großformatigen Bilder der beiden vermissten Mädchen ein. Sandra und Daniela, zwei blasse, magere Vierzehnjährige mit kurzen, struppigen, schwarz gefärbten Haaren. Sandra war bei irgendeinem Fest fotografiert worden, ihre Freundin Daniela in einem Strandcafé. Wagner kannte die Fotos. Es waren dieselben, die er von den beiden Elternpaaren erhalten hatte, als die ihre Kinder auf der Polizeidienststelle als abgängig gemeldet hatten. Das war erst vor vier Tagen gewesen. Er hatte versucht, die Eltern zu beruhigen, weil die Mädchen seiner Erfahrung nach sicher bloß von zuhause ausgerissen waren und spätestens in einer Woche von selber wieder auftauchen würden, müde, hungrig und verdreckt, aber gesund und munter, wie alle Kinder, nach denen er bis jetzt die Fahndung eingeleitet hatte. Doch die Eltern hatten offenbar die Nerven verloren und sich an die Zeitung gewandt. Und für die war das natürlich ein gefundenes Fressen.
    Diese Schmierfinken wussten ganz genau, womit sie ihre Leser füttern mussten. Mit eiskalter Berechnung spielten sie die Emotionskarten aus. Zuerst die Mitleidskarte: den verzweifelten Hilferuf der Eltern, die ihre Kinder als die reinsten Engel beschrieben, als liebevolle Töchter und wahre Musterschülerinnen, unschuldig und
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