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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Ludwig Tieck
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diesen Vorsatz wohl ausgeführt haben, und in Arras, einer fremden Stadt, hatte sie sich verborgen und den Augen aller Bekannten und Freunde entzogen.
    Plötzlich geschah wie ein heftiger Ruck im Gehirn des Lesenden. Ihm schwindelte. Er las wieder, und immer deutlicher wurden ihm die Erinnerungen, immer klarer trat alles in Zusammenhang. Er erinnerte sich jener Mühle im schönen Tal, er gedachte des strengen, finstern Priesters, von dem er den Namen Dubos hatte annehmen müssen. Als man ihn selbst zum Priester weihte, forschte er bei Dubos nach seinen eigentlichen Eltern, da er doch kein Sohn eines Geistlichen sein könne. Dubos hatte ihm im Vertrauen eröffnet, er sei die Frucht der Sünde und möge seinem Ursprunge nicht nachforschen, auch seien alle seine Angehörigen gestorben, die man schon längst vor ihrem Tode von seinem Hinscheiden überzeugt habe, um ihn ganz für die Kirche, als einen Sohn derselben, ohne Einspruch von andern erziehn zu können. Seine Eitelkeit erschrak damals vor dieser Entdeckung, und er selbst ging von der Zeit an allen Fragen über seine Herkunft am meisten aus dem Wege.
    Jetzt enthüllte sich ihm das ganze entsetzliche Geheimnis. Gertrude war seine Mutter gewesen und Catharina Denisel von seinem Vater her seine Schwester. Von Leidenschaft geblendet hatte er diese verraten, und dazu geholfen, sie und die eigne wahnsinnige Mutter dem Scheiterhaufen zu überliefern.
    Ein ungeheurer Haß gegen den Bischof und gegen sich selbst ergriff sein zerrüttetes Gemüt. Er verließ die Zelle und irrte die ganze Nacht wehklagend in der Stadt umher. Die Einwohner erstaunten, ihm am Morgen so zu begegnen, der alle Zeichen des Wahnsinns an sich trug. Ohne Zusammenhang erzählte er jedem von sich, dem Bischof, der alten Gertrud und der schönen Denisel. Der Bischof, der von seiner Verrücktheit hörte, ließ ihn nicht vor sich, als er diesen um ein Gespräch ersucht hatte, und man führte ihn noch an demselben Tage in ein Zimmer des Narrenturms, wo er nach einigen Wochen in seinem Elende verschied, indes man sich in der Stadt mit den seltsamsten Gerüchten von ihm trug. Zum Teil hatte man die Wahrheit erraten, alles aber ward durch die Zusätze und Erzählung der gemeinen Bürger in ein grausenhaftes Märchen verwandelt.
    Der Bischof sah seine Krankheit und Raserei nur für Bestrafung an, die ihm wegen seines vertrauten Umgangs mit der Hexe Denisel vom Himmel verhängt sei. Er war froh, daß der Dechant so von seinem geistlichen Amte entfernt war, denn er kämpfte immer mit seinem Gewissen, ob er ihn nicht als Zauberer und Ketzer verhaften und verdammen sollte.
    In dieser Stimmung, sich schon freuend, wieviel die neuen Verhöre der Eingekerkerten und die Aussagen auf der Folter wieder ergeben, welche Entdeckungen aus ihnen hervorgehn müßten, erhielt der Prälat folgendes seltsame Blatt, welches sein Gemüt noch höher aufspannte.
    »Morgen, gegen die Zeit der Dämmerung, seid Ihr allein, denn alles folgt der großen Prozession, die Ihr diesmal nicht begleiten wollt. Hoher Mann, wenn Ihr um die Zeit, doch ohne alle Begleitung, einen Unbekannten in dem dunkeln Buchengange Eures Gartens sprechen wollt, so kann dieser Euch viel wichtigere Entdeckungen mitteilen, sonderbarere als alles, was bisher gefunden ist. Mißtraut Ihr mir, seid Ihr nicht ganz einsam, so erscheint niemand, und Ihr bleibt vom hohen Geheimnis ausgeschlossen.«
    Das Blatt war sonderbar undeutlich geschrieben, und der Bischof ging mit sich selbst zu Rate, wie er sich zu benehmen habe. Da es ihm aber schien, daß ein Gleich- und Wohlgesinnter, ein Eifernder für die gute Sache ihm diese Worte gesendet hatte, so teilte er niemand den Inhalt desselben mit, und erwartete mit Ungeduld die Dämmerung. Da er sich nicht wohl befand, entfernte er, um ganz einsam zu sein, alle Diener, und begab sich dann am Abend in den dunkeln, abgelegenen Buchengang. Er erstaunte, den Unbekannten, einen riesengroßen Mann, der seine starke Figur bis auf den Kopf sogar in einen schwarzen Mantel gehüllt hatte, schon dort zu finden.
    Schüchtern näherte sich der Prälat der großen finstern Gestalt und sagte: Ihr schon hier? Der Türhüter hat noch niemand eingelassen.
    Brauch' ich des Eingangs dort? antwortete der Fremde mit dumpfer tiefer Stimme; mir stehn alle Wege offen, und ich hätte Euch deshalb ebensogut in Eurem Zimmer, ohne Anmeldung, besuchen können.
    So? sagte der Bischof, und es schauerte ihn. Und was könnt Ihr mir entdecken?
    Daß, wenn Ihr nicht
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