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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Ludwig Tieck
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von Arras, weil er, wenn er seinen Vater nicht gefürchtet, alle Stunden seines Lebens an der Seite der Frau Catharine zugebracht hätte, die ihn gern sah, oft aber verstimmt wurde, wenn er seine Leidenschaft zu deutlich zeigte, oder in die Gesellschaft trat, in welche er nicht geladen war.
    Erfrischungen, Wein, Obst und Gewürz in Zucker wurde herumgegeben, als der alte Beaufort das Wort erhob und sagte: Meine Freundin, diesen anmutigen Saal, diese glänzenden, schön gewirkten Tapeten, und Euer liebliches, holdes Antlitz, dessen Lächeln alle diese bunten Figuren bleich macht, werde ich nun auf eine oder zwei Wochen nicht sehen, denn ich habe Geschäfte in Gent mit dem großen Grafen von Etampes, dem Vetter unsers gnädigen Herzogs. Diese vornehmen Herren brauchen, eben weil sie zu Zeiten großmütig und freigebig sind, immerdar Geld; und zuweilen nehmen sie es mit der Art, es zu erringen, nicht so gar genau und christlich. Da sollen wir wieder beisteuern, und der Vorwand dazu ist ziemlich nichtig. Die Stadt, die schon genug getan hat, wird gedrückt, und soviel auch aufgebracht wird, so zerrinnt es doch unserm Herrn wieder unter den Fingern, weil er zu gütig ist.
    Ein geistlicher Herr, der etwa vierzig Jahr alt sein mochte, wendete sein schönes volles Antlitz herum, sah mit klugen Augen den Ritter an, und sagte mit wohlklingender Stimme: Gewiß, Herr Ritter, hat Euer Stand, und der der Bürger, zu klagen Ursach; aber was sollen wir Geistlichen erst aussprechen? Wir, die wir so schwer vor einigen Jahren taxiert wurden, als mit so großen Feierlichkeiten der Zug gegen Konstantinopel beschlossen wurde, um den Türken wieder von dort zu vertreiben? Alle die Summen, die wir und das Land hergaben, verschwinden, und es geschieht nichts, und kann und wird niemals etwas geschehen. Und doch wird immerdar wieder Nachschuß begehrt, und immer wieder reicht die Summe nicht aus. Wenn wir aber verarmen, wie soll es der Armut ergehn, die wir ernähren müssen?
    Herr Dechant, verehrter Herr Marck, antwortete der alte Ritter, Ihr findet in der Kirche immer neue Quellen, um den Verlust wieder zu ersetzen; sind aber unsre Güter verpfändet und mit Schulden belastet, dringt der Kaufmann auf plötzliche Rückzahlung, so sind wir ganz und auf immer verloren. Und doch können wir uns nicht so einschränken, wie es dem Geistlichen vergönnt ist, wie es ihm sogar zur edlen und heiligen Pflicht gemacht wird; kommt der Fürst oder dessen Sohn zu uns, gilt es einen Aufzug, ein Bankett, dem Grafen Etampes zu Ehren, oder den großen Croys, den Herren, die fast allein das Land regieren; kommt gar der Dauphin von Frankreich einmal zu uns herüber, so müssen wir in Kleidern und Livreen glänzen, und dürfen nicht fragen, um wie viel unsre Schulden zunehmen, oder wie sehr dadurch unsre Nachkommen verarmen.
    Wächst uns, sagte der Dechant lächelnd, das Getreide unsichtbar nach, wie Ihr behauptet, so wißt Ihr vom Adel dagegen Künste, es auf offner Straße, in der Stadt oder auf dem Felde, am lichten Tage mit scharfer Sichel zu schneiden. Noch vorgestern ist bei Douay, unter dem nichtigsten Vorwand eines alten Zankes, ein reicher Mann aus Seeland eingefangen worden; der übermütige Ritter hat ihn gefänglich eingesteckt, und so lange gemißhandelt, bis er ihm zweitausend Goldstücke durch einen andern Kaufmann ausgeliefert hat.
    Der alte Ritter stand auf und sagte mit zornigem Gesicht: Herr Dechant, Ihr seid ein wackrer Mann, aber mit der Zunge noch etwas zu jung. Ich könnte erwidern, daß die Kirche, Papst und Klerisei, mit Ablaß, Jubeljahr, und auf wie andre Weise noch, Gelder zwar nicht gewalttätig erpressen, aber doch auch, wie manche Freigesinnte sagen, durch Mißbräuche und falsche Deutung an sich bringen. Ich bin keiner dieser Freigesinnten, und will gegen die Kirche, die ich fromm verehre, nichts einwenden und vermuten, weil es unerlaubt ist. Jener gewalttätige Räuber, von dem Ihr eben sprachet, ist mir weitläuftig befreundet, aber weder ich noch andre echte und wahre Ritter werden sein Mißtun billigen oder rechtfertigen. Ich bin jetzt, unter den Augen meiner Mitbürger, siebenzig Jahr alt geworden, aber ich fordere Euch, oder wer es sei, selbst meine bittersten Feinde, auf, mir das Kleinste zu beweisen, worin ich von dem Wege Rechtens abgewichen wäre. Jeder mag sein Tun verantworten, vom Höchsten bis zum Niedrigsten. Unser glorreichster Fürst, den die Welt bewundert, ist zu alt und nachgiebig, um allenthalben, wo es nötig
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