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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht
Autoren: Robert Asprin
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Mitternacht kommen - erst nach Mitternacht!«
    Mor-am hielt das Päckchen hoch. Das Gesicht, das an ein fettes Schwein erinnerte, wirkte plötzlich nüchtern und trotz der tiefroten Hängebacken und des Doppelkinns würdevoll. Mor-am erwiderte seinen harten Blick mit seinem einen Auge. Er händigte ihm das Päckchen aus und beobachtete ihn, als er das Siegel überprüfte.
    »Man wird hierherkommen«, sagte Mor-am. »Und das soll ich ausrichten: Sie haben es auf Euch abgesehen. Todestrupps schleichen sich heute nacht in die obere Stadt. Hört Ihr, Mann?«
    »Wessen? Wann?« Die roten Wangen brannten noch stärker. Schweiß glitzerte auf Hängebacken und Stirn. »Nennt Namen! Bezahlen wir euch nicht dafür .«
    »Eine Nachricht für Fackelhalter, diesmal. Gebt ihm Bescheid. Sagt ihm, er soll heut nacht aus seinem Fenster schauen. Sagt ihm...« Mor-am bemühte sich, die Worte genau so zu wiederholen, wie Haught sie ihm vor zwölf Tagen eingebleut hatte. »Sagt ihm, dann wird er verstehen, was unsere Hilfe wert ist.«
    Kein Fluchen, kein Brüllen, trotzdem war die Wut des Dicken unverkennbar; seine Augen sagten: Ilsigerhund! Zu gern hätte der Rankaner ihn wie einen Hund zum Kuschen gebracht, doch gleichzeitig fürchtete er ihn.
    »Er weiß Bescheid«, sagte Mor-am gemessen. Ihr Götter, o ihr Götter, bewahrt mich jetzt vor dem Tic! »Er kann dem Prinz-Statthalter alles erk-klären . « Dieses verfluchte Gesichtszucken, das ihm die Lippen verzerrte! »Er weiß, was seine Sicherheit wert ist. Er wird jeden Preis bezahlen, den wir verlangen. Wir haben unsere Mittel. Sagt ihm, daß auch Kittycat aus seinem Fenster schauen soll!«
    Streifen in Zivil waren unterwegs, entschlossen, ohne Panik. Sie schickten ihre Meldungen zum Hauptquartier und zu anderen Stellen. Straton ritt allein - unvorsichtig, vielleicht, aber ein Trupp Stiefsöhne, selbst in Zivil, erregte zuviel Aufmerksamkeit. Wie ein Betrunkener klammerte er sich an seinen Braunen, hielt ihn im Paßgang und schwitzte den ganzen letzten Häuserblock. Er hatte seine drei Begleiter in die entgegengesetzte Richtung geschickt. Die Straße am Schimmelfohlenfluß war in Brückennähe breit und verkehrsreich, doch weiter flußauf, wo die Häuser enger beieinanderlagen, war sie fast so schmal wie ein Feldweg. Vom Fluß stieg das Terrain terrassenförmig an. Auf der unteren Terrasse, entlang dem Weg, wuchsen wilde Bäume und dichtes Unkraut; und auf der oberen kauerte wie ein altes, lauerndes Ungeheuer das nördliche Haus an diesem dunklen Fluß. Es war winzig, genau wie das im Süden - und beide waren rußgeschwärzt. So stark hatte das Feuer um beide gewütet, daß Bäume und Gebüsche ringsum verkohlt waren.
    Davon war jetzt nichts mehr zu erkennen. Beide Häuschen sahen aus wie vor dem Feuer; sie waren mit Buschwerk umgeben und rochen muffig wie alles, was zu lange ungepflegt der Feuchtigkeit, der Dunkelheit und dem Sternenlicht ausgesetzt war. Die alten Bäume streckten ihre (unversengten) Äste dem Himmel entgegen.
    Ischades Häuschen wies auf den Fluß hinunter, auf eine Reihe von Lagerhäusern, die einen respektvollen Abstand vom alltäglichen Treiben der Stadt hielten - einen Abstand, der von den Weiseren geachtet wurde. Jede Stadt hatte solch dunkle Ecken, dachte Strat, die so beklemmend wirkten, als wäre das Pech, dem sie ihren Zustand verdankten, ansteckend.
    Ischades Gebiet. Er ritt einsam hindurch. Kein Trupp - zumindest wußte er von keinem - hätte sich in diesen Teil der Straße oder zu den Lagerhäusern gewagt.
    Strat rutschte von seinem Pferd und schlang die Zügel um einen Zaunpfosten, dann öffnete er das lächerlich niedrige Gartentor. Unkraut wucherte, und - ihr Götter! - sie zog Nachtschatten wie andere Blumen! Und wie schnell alles gewachsen war!
    Sein Puls hämmerte, und sein Mund wurde trocken, als er vor ihrer Tür stand. Er streckte die Hand aus, um zu klopfen, und erwartete fast, daß sie schon vorher aufsprang. Das tat sie tatsächlich, ohne den geringsten Laut. Doch dann stand er nicht Ischade gegenüber, sondern dem ehemaligen Sklaven Haught. Er war viel zu gut gekleidet; aus seiner Haltung hätte man schließen können, er sei hier der Hausherr.
    »Wo ist sie?« fragte Strat gereizt.
    »Das ist nur ihre Sache!«
    Etwas warnte ihn davor, über die Schwelle zu treten und das zu tun, was er gern getan hätte: dem Schönling das Schwert in die Brust zu stoßen und einzudringen. So blieb er halb geduckt stehen, die Hände in die Hüften gestemmt,
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