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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht
Autoren: Robert Asprin
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doch sein Oberkörper wies nicht die Rundungen auf, die ein bequemes Leben mit sich brachte. Samlors Gewand bestand aus einfachem rotem Tuch, das zu seiner Gesichtsfarbe paßte. Weder Wind noch Sonne schienen seine Haut je zu bräunen. Der einzige Schmuck, den er trug, war ein silbernes Medaillon, dessen Bildnis verborgen blieb, bis er sich nach vorn beugte, um der Frau das Münzsilber in seiner schwieligen Faust zu zeigen. Da drehte es sich und offenbarte das Krötengesicht Heqts, der Göttin Cirdons und des Frühlingsregens.
    »Samlor hil Samt!« entfuhr es der S’danzo.
    »Nein!« sagte der Mann scharf, als ihr Blick zur Tür flog, durch die das Klirren des Schmiedehammers auf heißem Eisen zu hören war. »Gebt mir nur eine Auskunft, Lady, und Euch wird nichts geschehen.« Er unterließ es, nach seinem Dolch zu greifen. Wenn sie sich an Samlor erinnerte, dann wußte sie auch von den Geschehnissen während seines ersten Besuches in Freistatt. Ob es ihm gefiel oder nicht, sein Ruf war bereits einschüchternd genug. »Ich suche ein kleines Mädchen, meine Nichte. Das ist alles.«
    »Dann setzt Euch«, sagte die S’danzo wachsam. Diesmal folgte der Besucher ihrer Aufforderung. Er hielt ihr das Silberstück zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen, aber sie drehte seine Hand herum und betrachtete die Linien einen Augenblick, bevor sie die Bezahlung annahm. »Es klebt Blut daran«, sagte sie schroff.
    »Draußen am Platz findet eine Hinrichtung statt«, erklärte Samlor. Er konnte kein Blut entdecken. Selbst die abgeschlagene Fingerspitze hatte auf seinem staubigen Stiefel keine Spur hinterlassen. »Oh«, sagte er, als er schließlich begriff, was sie meinte. Er sah der S’danzo in die Augen. »Das Leben ist nicht immer einfach, Lady - manchmal ist es eine Frage der Ehre. Nicht mehr meiner Ehre, seit ich unter die Händler gegangen bin . « Seine Lippen zuckten in einem bitteren Lächeln. ». aber die der Familie, des Hauses der Kodrix sehr wohl. Es gibt nicht viele Dinge, an denen ich Freude habe. Töten gehört nicht dazu. Aber das Leben verlangt uns alles ab.«
    Illyra ließ seine Hand los. Ihre Finger nahmen das Silberstück mit der Geschicklichkeit eines Diebes. Doch hier handelte es sich um keine Sitzung, die mit Fingerfertigkeit und Tricks zu bestreiten war. »Erzählt mir von dem Kind«, verlangte die S’danzo.
    »Ja«, stimmte der untersetzte Mann zu. Nein, es gibt nicht viele Dinge, an denen ich Freude habe, dachte er grimmig, aber freudlose Erinnerungen habe ich genug. »Meine Schwester Samlane war . «, begann er und stockte, »keine Schlampe, denn sie ging nicht mit jedem dahergelaufenen Kerl ins Bett, sondern suchte sich aus, wen sie wollte. Sie war auch keine Hure, spielte jedoch manchmal eine, denn Geld war in unserem Haus immer knapp. Sie hielt nicht viel von ehrlichen Geschäften oder dem guten Ruf des Hauses Kodrix. Meine Eltern waren dennoch stolz auf sie, wie sie es auf mich nie waren, seit ich auf rechtschaffene Weise ihre Vorratskammern füllte - und ihre Weinkeller.« Das Lachen, das ertönte, klang bitter, es verriet, daß der Seitenhieb den Erzähler selbst am tiefsten verletzte.
    Die Frau lauschte stumm seinen Worten. Nur das leise Geräusch der Muscheln des Türvorhanges, die ein Luftzug bewegte, war zu hören.
    »Sie schreckte vor nichts zurück«, fuhr Samlor fort. »Es hätte uns also keineswegs überraschen sollen, daß sie vor ihrer Hochzeit einen Bastard zur Welt brachte, als sie noch in Cirdon war. Samlanes persönliche Habe wurde zurückgeschickt, als sie -gestorben war . « Sechs Zoll Stahl, das Stiefelmesser ihres Bruders, hatten ihren Leib durchbohrt; das Bild war so scharf in Samlors Erinnerung wie die Schneide der neuen Klinge, die er nun in seinem Stiefelschaft trug. »Ich glaube, Regli wollte gar nicht wissen, daß sie schon geboren hatte. Denn selbst mit Alaun lassen sich nicht alle Spuren der Schwangerschaft beseitigen, aber sie gab sich vor ihm als Jungfrau aus. Die rankanischen Edlen sind offenbar viel dümmer, als ich dachte! Dieses Flittchen! Ihr Götter! Dieses nichtsnutzige Flittchen!«
    »Erzählt weiter«, bat Illyra mitfühlend, denn ihr entging die Qual nicht, die in den Flüchen mitschwang.
    »Das meiste erfuhr ich aus einem Tagebuch«, fuhr Samlor fort. Er zwang sich, seine Fäuste zu öffnen, die er in seinem Grimm geballt hatte. »Das Kind war ein Mädchen. Es wurde von einer Magd Samlanes, Reia, aufgezogen. Wahrscheinlich habe ich es sogar gelegentlich
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