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Hexenkuss

Hexenkuss

Titel: Hexenkuss
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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Straße.
    Sie rutschten und glitten dahin, und die inzwischen schon vertraute Mischung aus Spaß und Angst schnürte Holly die Brust ein und jagte ihr Schauer über den Rücken. »Yee-ha!«, jubelte sie, und Tina schrie mit. Sie brachen in Gelächter aus und brüllten immer wieder »Yee-ha!«, so laut, dass es von den Wänden des Canyons widerhallte. Schluchtenzaunkönige fielen mit ein, Donner grollte über ihren Köpfen, und Holly spürte Ärger in sich aufflackern, weil ihre Eltern zu sehr damit beschäftigt waren, wütend aufeinander zu sein, statt den Spaß mit ihr zu teilen.
    Das Boot wurde schneller, noch schneller; Holly bekam ein flaues Gefühl im Magen, und Tina kreischte in genüsslicher Angst.
    Dann grollte der Himmel ein Mal, zwei Mal, und öffnete alle Schleusen. Regen klatschte eimerweise herab und durchweichte sie völlig. Er prasselte so heftig, dass er schmerzhaft auf Hollys Schultern aufschlug. Sie tastete nach dem gelben Regenponcho, der um ihre Taille geschnallt war, und das Schlauchboot schlingerte und schwankte, weil alle aus dem Takt gerieten, verblüfft über den plötzlichen Regenguss.
    Ryan brüllte: »An die Ruder!«
    Ihre Eltern rissen sich zusammen und lenkten das Boot so, wie Ryan es ihnen gezeigt hatte. Der Regen klatschte wie ein Wasserfall herab. Der Fluss teilte sich um einen gewaltigen Felsbrocken, und Ryan schrie eine Mahnung, die Holly aber eher im Gedächtnis hatte als verstand: links halten. Hier immer links halten.
    Plötzlich ragte eine riesige Granitklippe vor ihnen auf. Die Kante war scharf und zerklüftet, nicht rund geschliffen, wie man es hier erwartete.
    »He!«, schrie Tina und nahm sich einen Moment Zeit, um darauf zu zeigen.
    Der Regen schlug nun regelrecht auf sie ein, und Holly versuchte verzweifelt, ihre Kapuze wieder über den Kopf zu ziehen, die der peitschende Wind heruntergerissen hatte. Der strömende Regen machte sie blind. Sie konnte nichts mehr sehen.
    »Heilige Scheiße, runter!«, brüllte Ryan.
    Holly duckte sich und spähte in den Regen.
    Den Bruchteil einer Sekunde waren alle wie erstarrt, während ihre geschockten Gehirne erfassten, was gerade passierte. Dann brach Hektik aus wie bei Fliegeralarm in einem Kriegsfilm, alle packten ihre Paddel und kämpften gegen den Fluss an, der entschlossen schien, das Boot gegen den mächtigen Granitbrocken zu schleudern.
    »Nein!«, rief Tina, als die Kraft einer Welle ihr fast das Paddel aus der Hand riss. Das Schlauchboot neigte sich im 45-Grad-Winkel abwärts, und sie begann zu schreien. Schäumendes Wasser schwappte bis auf Hüfthöhe über die fünf Insassen hinweg. Tina kreischte und schlug hilflos mit dem Paddel aufs Wasser, und Holly schrie: »Was machen wir jetzt? Was sollen wir machen?«
    »Ruhig bleiben!«, brüllte Ryan. »Links, links, links!«
    Hollys Ruder fühlte sich viel zu klein und zerbrechlich an, um irgendetwas gegen die Strömung auszurichten, die sie in eine bestimmte Bahn zwang. Gleichzeitig war es aber so schwer und unhandlich, dass sie es kaum noch führen konnte.
    Dann rief ihre Mutter etwas, und Daniel Cathers schrie: »Nein!«
    Der Fluss war ein wilder Strudel, alles war grau, kalt, gnadenlos und tückisch. Zwischen grauen Felsen und grauem Wasser schoss das Schlauchboot mit einer Wucht wie vom Katapult abgeschossen auf den Felsen zu.
    Holly klammerte sich an das Paddel. Es war jetzt völlig nutzlos, und trotzdem hielt sie es fest, weil ihre Hände vor Entsetzen darum erstarrt waren. Jemand, sie hatte keine Ahnung, wer, schrie ihren Namen.
    Dann hörte sie Ryans Stimme. »Springt! Jetzt!«
    Sein Befehl riss sie aus ihrer Starre. Als sie versuchte, den Sicherheitsgurt zu lösen und aus dem Boot zu springen, stieg der Fluss über den Rand des Bootes und verschlang es ganz. Kaltes, erbarmungsloses Wasser umgab sie, schlug über ihren Schultern und ihrem Kopf zusammen. Sie wartete darauf, dass es wieder absank, doch es strömte einfach weiter über sie hinweg. Sie geriet in Panik, weil sie keine Luft mehr bekam, und bäumte sich verzweifelt gegen die Haltegurte auf. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie man sie öffnete.
    Ich werde ertrinken. Ich werde sterben.
    Das stahlgraue Wasser verdichtete sich und kam in schwarzen Wellen. Sie konnte nichts mehr sehen oder spüren außer der schrecklichen Kälte. Sie konnte die Bewegung des Bootes so wenig erkennen, dass es Purzelbäume hätte schlagen können. Ihr stand das Bild der riesigen Granitklippe vor Augen. Wenn sie mit solcher
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