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Hexenkuss

Hexenkuss

Titel: Hexenkuss
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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geschafft und ihnen ihre Plätze gezeigt. Und als hätten die wirbelnden Strömungen des Colorado River die Stimmung erneut aufgewühlt, hatte der Streit wieder angefangen und war während der Wildwasser-Tour über den ganzen Tag hinweg immer schlimmer geworden.
    Jetzt beugten Holly und Tina sich über ihre Ruder, paddelten nach Ryans Anweisungen und taten so, als sei alles in bester Ordnung. Sie trugen grell orangefarbene Schwimmwesten und Helme. Tinas Helm saß tief auf ihrem eigentlich schwarzen Haar, das sie zu Ehren der Abenteuerreise aquamarinblau gefärbt hatte. Holly, deren dunkles Haar nur noch ein Mopp feuchter Ringellöckchen war, saß neben Tina eingequetscht in der Mitte des Schlauchboots, das ein bisschen aussah wie ein pummeliges Ruderboot. Kaltes Wasser spritzte aus allen Richtungen, während das Schlauchboot wie auf einer Achterbahn zwischen glatten schwarzen Felsen und Baumstämmen hindurchschaukelte. So kalt es inzwischen auch sein mochte, die Temperatur war immer noch tropisch im Vergleich zur Atmosphäre zwischen ihren Eltern.
    »Mann, was machen die denn?«, fragte Tina dicht an Hollys Ohr. »Die werden sich noch umbringen. Oder uns alle.«
    »Wenn wir wieder zu Hause sind, adoptierst du mich dann?«, entgegnete Holly kläglich.
    »Wir sind doch fast alt genug, um zu heiraten.« Tina zog ein paar Mal vielsagend die Augenbrauen hoch. »Komm schon, Baby, du willst mich doch auch.« Sie warf Holly eine Kusshand zu.
    Holly lächelte schwach und schüttelte seufzend den Kopf. »Deine Mutter würde sich freuen.«
    »Meine Mom ist eine eingefleischtere Liberale als deine ganze Familie zusammen«, erwiderte Tina. »Es wäre ihr eine Freude, unsere Verbindungszeremonie zu planen, Darling.«
    Holly grinste, und Tina grinste zurück. Das Lächeln verging ihnen aber gleich, weil sich wieder einmal zornige Stimmen über das Tosen der Stromschnellen erhoben.
    »... nicht früher zurück«, bellte Hollys Vater.
    »Du hast mir nichts davon gesagt.« Das war ihre Mom. »Du hättest es mir sagen müssen...«
    Ai, Chihuahua, dachte Holly. Spannung wirbelte zwischen ihren Eltern in der Luft, und eine neue Woge der Angst schwappte über Holly zusammen. Irgendetwas war nicht in Ordnung, etwas Fundamentales, Grundlegendes, und wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, wusste sie, dass es schon seit über einem Jahr so falsch lief.
    Seit ich diesen Albtraum hatte...
    Ihr Vater wandte zuerst den Blick ab, und ihre Mutter räumte das Feld - zwei Tiere, die um ein Revier kämpften, und beide waren mit dem Ausgang dieser Konfrontation unzufrieden. Ihre Eltern sahen sehr gut aus, obwohl sie schon über vierzig waren. Dad war groß und schlaksig und hatte dichtes, widerspenstiges schwarzes Haar und sehr dunkle braune Augen. Ihre Mom fiel aus dem Rahmen: Ihr Haar war so blond, dass es gefärbt schien, und ihre hellblauen Augen erinnerten Holly stets an das Kleid einer Brautjungfer. Die Leute sagten immer, wie gut die beiden zusammen aussahen, wie die Eltern in einer Fernsehserie. Nur wenige außer Holly wussten, dass ihre Dialoge eher in einen Horrorfilm passten.
    »Okay, festhalten«, unterbrach Ryan ihre Gedanken - und einen Moment lang sogar das Gezanke. »Jetzt kommen die Hance Rapids. Denkt daran, immer links bleiben.« Er schaute zum düsteren, tief hängenden Himmel hoch und brummte: »Verdammt.«
    Holly blickte zu ihm auf. Sein Gesicht war dunkel, die Haut viel zu ledrig für jemanden, der erst einundzwanzig war. Bis er dreißig ist, dachte sie, wird er aussehen wie eine Statue aus Dörrfleisch.
    »Da kommt ein Gewitter, was?«, bemerkte sie und musste die Stimme heben, um das Brausen der Stromschnellen und das Quietschen des Schlauchboots zu übertönen.
    Er sah sie an. »Ja. Wir gehen heute früher an Land.« Dann warf er ihren Eltern einen Blick zu. »Die Stimmung ist ziemlich gereizt.«
    »Sie sind sonst nicht...«, begann sie, doch dann schloss sie den Mund, nickte und konzentrierte sich wieder aufs Paddeln.
    Schäumendes Wasser brodelte vor ihnen wie in einem kochenden Kessel, und sie und Tina richteten sich ein wenig auf und machten sich bereit für die aufregende Fahrt. Diverse Stromschnellen hinunterzusausen war offiziell der spannendste Teil, der Grund, weshalb sie eigentlich hier waren. Aber Holly hatte genug. Sie wollte nach Hause.
    Die Strömungen des Flusses wurden schneller, trafen zusammen und trennten sich wieder, wirbelten um Steine und Felsbrocken und bildeten Strudel wie Schlaglöcher in einer
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