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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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und brachte sich über die Personalräume im Kellergeschoß in Sicherheit. Zwei Minuten später stand sie auf der Straße und suchte jemanden, dem sie alles erzählen konnte.

     
    * * *

     
    Wieder einmal war es der Rundfunk, der das Wettrennen der Medien um die aktuellste Berichterstattung gewann. Bereits 20 Minuten nach dem Alarm ging die Sondermeldung vom »Überfall auf die Kredit Bank« über den regionalen Äther und lieferte danach allen landesweiten Nachrichtensendungen die Topmeldung. Das Fernsehen dagegen sollte erst nach weiteren 45 Minuten mit einer Sondernachrichtensendung folgen.
    Aus Datenschutzgründen wurde der Name des vermeintlichen Täters nicht genannt, obwohl ihn die geflüchtete Bankmitarbeiterin Karin Reitmayer jedem nannte. Auch wenn er ihn gar nicht wissen wollte.
    Nach etwas mehr als einer Stunde hatte sich die Sprachregelung durchgesetzt, dass es sich bei dem Täter um den Mann einer der wenigen weiblichen Tycoons der österreichischen Wirtschaft handelte. Da man diese Damen an den Fingern einer Hand abzählen konnte, wusste jeder, der sich nur ein bisschen auskannte, Bescheid. Die Spekulationen über die Motive eines Täters aus dieser finanziellen Liga vermehrten sich exponentiell.
    Bis auf drei Frauen und fünf Männer hatte der Verbrecher alle anderen Menschen die Bank verlassen lassen. Was aber nicht dem Täters positiv angerechnet, sondern mit der Unmöglichkeit, mehr Geiseln kontrollieren zu können, erklärt wurde.
    Natürlich war auch bereits das BKA an Ort und Stelle und hatte in der benachbarten Café-Konditorei »Simperl« einen provisorischen Krisenstab eingerichtet.
    Als Vertreter des Ministers war vor kurzem Ministerialrat Dr. Michael Schneckenburger erschienen. Auf seinen Wunsch hin wurden auch Inspektor Wallner und Palinski in den Stab berufen. Letzterer aber nur gegen den Protest und lautstarke Vorbehalte Dr. Würmler-Dolms, des Psychologen und Verhandlungsspezialisten des Bundeskriminalamtes.
    Würmler-Dolm warf Palinski immer noch vor, sich seinerzeit in unqualifizierter Weise in die Verhandlungen mit Walter Mraz eingemischt zu haben, der Stadtrat Ansbichler erschossen hatte. Dabei hatte Mraz ausdrücklich nach Palinski verlangt gehabt. Diese kleine, aber wichtige Nuance ließ Würmler-Dolm in seiner Darstellung der Ereignisse gerne aus.
    Ein Teil des Stabes, darunter auch Wallner und Dr. Würmler-Dolm, sprachen sich für eine abwartende Taktik und Verhandlungen aus. Die eingefleischten »Terroristenbekämpfer« in der Gruppe plädierten dagegen für den Einsatz des Sonderkommandos und ein rasches Zuschlagen. Schließlich gelang es Schneckenburger, einen Kompromiss der Art herbeizuführen, dass man zunächst abwarten und verhandeln wollte. Das Sonderkommando sollte aber gleichzeitig bereit stehen, um bei Bedarf sofort eingreifen zu können.
    Was den Krisenstab zunehmend irritierte, war die Tatsache, dass es trotz wiederholter Versuche noch nicht gelungen war, Kontakt mit dem Verbrecher aufzunehmen. Wie sollte man mit so jemandem bloß verhandeln?

     
    * * *

     
    Amelia Balos war mit ihren Bemühungen, ihren Puls wieder zu stabilisieren, so erfolgreich gewesen, dass sie darüber eingeschlafen war. Plötzlich schreckte sie hoch. Irgendetwas war anders als vorhin. Die übliche Atmosphäre in dem schönen Zimmer hatte sich unmerklich verändert. Sie wusste aber nicht gleich, worin diese Veränderung bestand.
    Das war es, erkannte sie nach einigen Sekunden. Die den ganzen Tag aus dem im Nachttisch integrierten Lautsprecher kommende Musik hatte einer aufgeregten weiblichen Stimme Platz gemacht. Neugierig geworden drehte Amelia den Lautstärkenregler hoch.
    »... Bank in der Döblinger Haupstraße in Wien überfallen. Der Mann, bei dem es sich um den Gatten einer österreichischen Kaufhauskette handeln soll ...« Amelie musste lachen, was für einen Blödsinn diese Radioleute manchmal zusammen reden. Gatte einer österreichischen Kaufhauskette, haha.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, was das bedeuten konnte. Ja, eigentlich bedeuten musste. Heribert hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, das Lösegeld aufzutreiben, als eine Bank zu überfallen. Irgendwie fühlte sie sich geschmeichelt durch diesen Liebesbeweis. Dann wurde ihr aber bewusst, was geschehen war. Aus dem Spiel, das ihr 200.000 Euro bringen sollte, war Ernst geworden. Bitterer Ernst, der für ihren Heribert viele Jahre Gefängnis bedeuten konnte. Sie musste sofort zu ihm, ihm klar machen, dass es nur ein Spiel
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