Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
Vom Netzwerk:
den Mund. Wie schön, dachte nicht nur der böse Bub.
    »Wollen Sie nicht endlich den Hörer abheben«, meldete sich der Filialleiter jetzt als Reaktion auf den ungefähr fünfundzwanzigsten erfolglosen Versuch des Krisenstabes, Kontakt aufzunehmen. Aber Marinov wollte noch immer nicht.
    Er wusste noch nicht, was er sagen , wie er sich verhalten sollte. Auf das, wie sich die Situation entwickelt hatte, war er nicht vorbereitet gewesen. Der Filialleiter war hartnäckig. »Ich bitte Sie nochmals. Lassen Sie mich jetzt gehen. Ich habe einen wichtigen Arzttermin. Wenn ich den verpasse, muss ich wieder zwei Monate auf einen neuen warten .«
    Das leuchtete Marinov ein, aber er konnte und wollte keine Ausnahme machen. Neben der ungeladenen Gaspistole seiner Frau war seine Entschlossenheit seine einzige Waffe.
    Der Filialleiter gab aber nicht auf. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, kündigte er an. Also Geld würde ihm jetzt nichts mehr helfen, wusste Marinov.
    »Im Kellergeschoß gibt es einen Durchgang ins Nachbarhaus. In der Garage dieses Hauses haben wir einige Stellplätze gemietet. Die Ausfahrt ist mindestens dreißig Meter von der Bank entfernt .«
    Der Banker blickte Marinov verschwörerisch an und senkte die Stimme. »Und damit wahrscheinlich außerhalb des von der Polizei abgesperrten Bereichs. Da könnten Sie sich vielleicht unerkannt abseilen. Und mich lassen Sie bei dieser Gelegenheit einfach flüchten. Ich verspreche Ihnen, dass ich erst nach dem Arzttermin mit der Polizei Kontakt aufnehmen werde .«
    Der schwere Mann mit dem hochroten Gesicht lachte bitter auf. »Bei meinem Blutdruck kann mir keiner einen Vorwurf machen, wenn ich zuerst zum Arzt gehe .«
    Klang gar nicht schlecht, dachte Marinov, half aber Amelia kein bisschen. Andererseits, hier in der Bank oder hinter Gittern konnte er überhaupt nichts für seine Freundin tun.
    Als das Telefon wieder läutete, forderte Marinov Grabner auf, den Hörer abzunehmen und den Anrufern mitzuteilen, dass er, der Bankräuber, in 20 Minuten bereit sein würde, seine Forderungen bekannt zu geben.
    Nachdem Franz Ferdinand auftragsgemäß gehandelt hatte, hatten sie etwas Zeit für ihren Exodus gewonnen.
    »So, Sie drei kann ich jetzt als Geiseln nicht mehr brauchen«, er deutet auf zwei ältere Frauen und einen alten Herrn, alle drei Kunden der Bank. »Gibt es hier einen Raum, wo wir diese Herrschaften für kurze Zeit einsperren können .«
    »Das ist Altersdiskriminierung«, regte sich der alte Herr auf, »ich bin noch bestens in Form und eine genau so gute Geisel wie die anderen auch .«
    Marinov fand den Einwand irgendwie lustig. Allerdings war das auch ein Indiz dafür, dass der gute Mann die Gefährlichkeit der Situation nicht richtig einschätzte. Oder?
    »Am besten geeignet ist der kleine Personalraum«, erwies sich Franz Ferdinand überraschend kooperativ. »Da haben die Herrschaften auch etwas zu trinken und ein WC .«
    Nachdem sichergestellt worden war, dass die drei nicht mehr benötigten Geiseln in der nächsten Stunde keinen Kontakt mit der Polizei aufnehmen konnten, blies Marinov zum Aufbruch.
    »Also gehen wir«, forderte er seine restlichen Sicherheiten auf. »Aber wehe, Sie machen die Polizei auf uns aufmerksam. Ich bin nicht fair, ich schieße Ihnen notfalls auch in den Rücken .«
    Kurz darauf verließ die Gruppe die Bank über das Nebenhaus und die Garage und fand sich einige Minuten später tatsächlich unbemerkt auf der Straße wieder. Acht Meter hinter der Absperrung der Polizei, die ganz in ihre Aufgabe versunken nur Augen für die Filiale hatte.
    Der Filialleiter, der sein Fahrzeug aus der Garage geholt hatte, hielt Wort. Er fuhr den PKW langsam auf die Straße und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung.
    Die restliche Gruppe bewegte sich nach rechts und von der Bank weg. Na net. Plötzlich ertönte ein Schrei »Da bewegt sich etwas .« Instinktiv drängte Marinov die verbliebenen Geiseln in das Geschäft, an dem sie gerade vorbei gekommen waren.
    Aus den hundert und mehr ausgestellten Brillenrahmen, die ihn leer anstarrten, schloss er, dass sie in einem Optikerfachgeschäft gelandet waren.
    »Was kann ich für die Herrschaften tun«, wollte ein netter älterer Herr wissen, der die Pistole, die einer der neuen Kunden gerade wieder aus der Tasche holte, noch nicht bemerkt hatte.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Marinov, »aber ich muss Sie jetzt zur Geisel erklären .« Dann drängte er die neben dem Optiker aus Dr. Sumser,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher